Ein Vertreter der Opposition sprach von einem "Regime der Stille", auf das sich die USA und Russland verständigt hätten. Dieses werde auch in Aleppo greifen, zitierten ihn russische Medien. Das syrische Militär erwähnte Aleppo nicht. Die Lage in der teils von Rebellen und teils von der Regierung kontrollierten Großstadt ist besonders prekär. Mehr als 200 Zivilisten wurden dort nach Angaben aus dem Umfeld der Opposition in den vergangenen sieben Tagen getötet. Am Freitag seien erneut Luftangriffe geflogen worden.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte, das "Regime der Stille" verbiete militärische Aktionen und jeglichen Einsatz von Waffen. Russland sehe nicht die Gefahr, dass die Militäraktionen in Syrien wieder aufflammten.

Formell gilt bereits seit Februar eine auf Initiative der USA und Russland vereinbarte Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien. Lediglich besonders radikale Gruppen wie die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) oder der Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front sind davon ausgenommen, sie dürfen weiter bekämpft werden. Doch in den vergangenen Tagen erwies sich diese Waffenruhe als zunehmend brüchig.

Das wiederum gefährdet die internationalen Bemühungen zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts in Genf. Ob sie effektiv fortgesetzt werden können, ist angesichts der Lage derzeit völlig ungewiss.

UNO-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad al-Hussein sagte, er wage es gar nicht, sich vorzustellen, "welchen Horror wir in Syrien erleben werden", sollten die Bemühungen um ein Ende der Gewalt gänzlich aufgegeben werden. Es gebe "verstörende Berichte" über militärische Vorkehrungen, die darauf hindeuteten, dass "eine tödliche Eskalation" vorbereitet werde, warnte er. Er kritisierte zudem den "beschämenden" Misserfolg des UNO-Sicherheitsrates, der sich nicht darauf verständigen könne, die Verbrechen in Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu überweisen. Dies sei "ein Beispiel für die schändlichste Form von 'Realpolitik'", erklärte Hussein. Die Vereinten Nationen hätten seit Jahren Angriffe auf Krankenhäuser sowie Märkte dokumentiert, die wahrscheinlich den Tatbestand von Kriegsverbrechen erfüllten. Nach Ansicht vieler seien "die Weltmächte de facto Komplizen" geworden bei dem Konflikt, in dem Hunderttausende Menschen getötet und Millionen vertrieben worden seien.

In Aleppo sind die Kämpfe am Freitag nach kurzer Pause wieder aufgeflammt. Die oppositionsnahe Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte berichtete von neuen Luftangriffen auf Rebellenstellungen. Getroffen wurde dabei erneut ein Spital in einem von Rebellen kontrollierten Teil der Stadt. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt. Auch ein Markt und eine Moschee seien getroffen worden. Die Beobachtungsstelle machte die syrische Luftwaffe für die Angriffe verantwortlich. Nach amtlichen Angaben handelte es sich bei der Attacke auf die Moschee um einen Granatenangriff. Drei Menschen wurden getötet, 25 verletzt, meldete die Nachrichtenagentur Sana. Die Gläubigen seien gerade dabei gewesen, die Moschee nach dem Freitagsgebet zu verlassen, als eine von Rebellen abgefeuerte Granate eingeschlagen sei.

Erst in der Nacht auf Donnerstag war das Al-Quds-Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Aleppo aus der Luft angegriffen worden. Mindestens 30 Menschen starben, darunter Kinder und Mediziner. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Angriff auf die Zivilisten als "unentschuldbar". Syrische Menschenrechtsgruppen machten Regierungstruppen dafür verantwortlich. Hussein wertete die Angriffe auf Märkte und Krankenhäuser in Syrien als "monströse Missachtung des Lebens von Zivilisten" durch alle Konfliktparteien. Die Kämpfe bewegten sich auf das Niveau vor dem Inkrafttreten eines Waffenstillstands im Februar zu, erklärte er am Freitag in Genf.

Wer genau für den Angriff auf die Klinik in der Nacht auf Donnerstag verantwortlich ist, war weiter unklar. Die syrische Führung und Russland hatten noch am Donnerstag erklärt, nichts damit zu tun zu haben. Das russische Verteidigungsministerium verwies vielmehr darauf, nach seinen Informationen habe sich am Abend des 27. April ein Flugzeug der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition über Aleppo befunden. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte dagegen, es gebe Hinweise, dass syrische Regierungstruppen die Klinik bombardiert hätten.

Russland ist im Syrien-Konflikt der wichtigste Verbündete von Präsident Bashar al-Assad. Die USA und ihre Militärallianz unterstützen dagegen gemäßigtere Aufständische im Kampf gegen die IS-Miliz, die große Gebiete in Syrien und im benachbarten Irak beherrscht.