Zweieinhalb Wochen nach dem Flüchtlingspakt der EU mit der Regierung in Ankara sind die ersten Migranten von Griechenland aus in die Türkei zurückgebracht worden. Nach Angaben der griechischen Polizei verlief die Rückführung der rund 200 Personen am Montag reibungslos.

Erste Flüchtlinge landeten in Deutschland

Es habe sich fast ausschließlich um Migranten aus Pakistan und nordafrikanischen Staaten gehandelt, die keinen Anspruch auf Asyl hätten, hieß es. Nahezu zeitgleich landeten die ersten syrischen Flüchtlinge mit einer Linienmaschine in Hannover. Sie kamen auf direktem Weg aus der Türkei und sollten mit einem Bus zunächst in das Erstaufnahmelager Friedland bei Göttingen gebracht werden. Nach dieser ersten Gruppe von 16 Menschen wurde gegen Mittag eine weitere Linienmaschine mit ebenfalls 16 syrischen Kriegsflüchtlingen am Flughafen Hannover erwartet.

Von den griechischen Ägäisinseln Lesbos und Chios hatten in der Früh insgesamt drei Schiffe in Richtung türkisches Festland abgelegt. Nach Angaben des griechischen Krisenstabes waren 136 Migranten an Bord zweier Schiffe aus Lesbos. Ein drittes Schiff mit 66 Migranten startete von der Insel Chios.

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Auf dem Weg in den Hafen des westtürkischen Küstenortes Dikili wurden die Schiffe von der türkischen Küstenwache begleitet. Über dem Hafen kreiste ein Polizeihubschrauber. Wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete, gingen die Flüchtlinge mit jeweils ein bis zwei Taschen von Bord in Richtung der Zelte, wo sie registriert werden sollten. Sie seien dabei von türkischen Beamten begleitet worden.

Am Hafen in Dikili entrollten einige Demonstranten ein Transparent mit der Aufschrift "Stoppt Abschiebungen". Zu Zwischenfällen kam es zunächst nicht.

Regelung gilt für 72.000 syrische Flüchtlinge

Dem Abkommen zufolge sollen alle nach dem 20. März in Griechenland Eingetroffenen abgeschoben werden, die kein Asyl in Griechenland beantragen oder deren Anträge abgelehnt wurden. Ausgenommen von den Rückführungen sind nur Menschen, die nachweisen können, dass sie in der Türkei verfolgt werden.

Für jeden aus Griechenland abgeschobenen Syrer soll ein Syrer aus der Türkei legal in der EU aufgenommen werden. Diese Regelung gilt zunächst für 72.000 syrische Flüchtlinge, die in der Türkei Zuflucht gesucht haben.

In vielen EU-Ländern gibt es gegen die Aufnahme von Syrern Widerstände. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin wollen neben Deutschland Anfang der Woche aber auch die Niederlande, Frankreich, Finnland und voraussichtlich Portugal syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen, und zwar in derselben Größenordnung wie die Bundesrepublik. Aus dem Innenministerium in Wien hieß es zuletzt, es gebe "derzeit noch keine zeitliche Perspektive" für die Aufnahme von Flüchtlingen in Österreich.

Im "Hotspot" auf Lesbos begannen am Montag Flüchtlinge massenhaft Asylanträge zu stellen, um ihre Abschiebung hinauszuzögern. Von nun an gelte es, Asylanträge zu bearbeiten, bevor weitere Migranten in die Türkei zurückgeschickt werden könnten, sagte die Chefin der für Migration zuständigen Abteilung der griechischen Polizei, Zacharoula Tsirigoti.

Aus Kreisen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auf Lesbos hieß es, wegen der Antragsflut sei es nun umso wichtiger, dass zügig Asylexperten aus anderen europäischen Ländern nach Griechenland entsandt würden.

Akuter Personalmangel

Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, mahnte im SWR, jeder Einzelne müsse angehört werden und die Chance bekommen, einen Asylantrag zu stellen, sonst dürfe er nicht zurück in die Türkei gebracht werden. Es mangele aber "dramatisch" an Personal, um die Fälle zu bearbeiten, beklagte Fleming. Die Bedingungen seien folglich nicht so, dass Menschen bereits in die Türkei zurückgeführt werden könnten.

Nach Berechnung der Nachrichtenagentur AFP sollen insgesamt rund 6.000 Flüchtlinge aus Griechenland abgeschoben werden - laut der griechischen Nachrichtenagentur ANA allein bis Mittwoch 750. Die Türkei baut derzeit Aufnahmelager an der Küste gegenüber von Lesbos und Chios auf sowie ein größeres Flüchtlingslager im Inland. Die EU schickte zur Unterstützung der Aktion Experten und Sicherheitskräfte. Allein Frankreich entsandte 200 Polizisten.

"Das ist ein rechtswidriger Akt der Unmenschlichkeit. Auf Kosten der Schutzbedürftigen wird ein rechtswidriges Exempel statuiert", erklärte dagegen der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. "In Griechenland existiert kein rechtsstaatliches Asylverfahren. Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat, der Flüchtlinge schützt. Das sind Massenabschiebungen, bei denen der Rechtsstaat außer Kraft gesetzt wird."

Der WDR berichtete vor wenigen Monaten über die Gestrandeten und ihre Helfer auf Lesbos: