Noch simpler hätte man die Forderung kaum rüberbringen können: Ein weißes Schaf auf der roten Fahne mit dem Schweizer Kreuz befördert ein schwarzes Schaf mit einem kräftigen Hinterteil-Tritt nach draußen. "JA zur Ausschaffung krimineller Ausländer", steht auf Postern neben den beiden Schafen. Die rund fünf Millionen wahlberechtigten Eidgenossen sollen entscheiden: Sollen straffällig gewordene Nichtschweizer automatisch des Landes verwiesen werden? Raus mit den "schwarzen Schafen", ohne Wenn und Aber - und ohne dass Richter bei eventuellen Härtefällen eine Ausnahme verfügen dürften?

Das Plakat der SVP-Initiative

Das härteste Ausländergesetz Europas

Das wäre dann das härteste Ausländergesetz Europas. Was sich beinahe anhört wie ein Pegida-Slogan in Deutschland, kommt bei den Eidgenossen von der schon seit Jahren stärksten Partei des Landes. "Endlich Sicherheit schaffen!", fordert die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP). Erst im vergangenen Oktober hat sie erneut Parlamentswahlen gewonnen. In der Berner Koalitionsregierung stellt sie zwei der sieben Minister.

Automatische Ausweisung

Beim Volksentscheid über ihre sogenannte "Durchsetzungsinitiative" zur automatischen Ausweisung krimineller Ausländer könnte die SVP nun laut Meinungsumfragen erneut eine Mehrheit bekommen - wenngleich wohl nur eine sehr knappe. Nach den Vorstellungen der Rechtsnationalen sollen Ausländer bei schweren Verbrechen unabhängig vom Strafmaß sofort ihr Aufenthaltsrecht und alle Rechtsansprüche auf Aufenthalt in der Schwez verlieren.

Ausweisung in "sichere Länder"

Es muss eine konkrete Ausreisefrist angeordnet sowie ein Einreiseverbot von 5 bis 15 Jahren verhängt werden, im Wiederholungsfall von 20 Jahren. Grundsätzlich dürfen Ausweisungen in alle von der Regierung in Bern als sicher eingestuften Länder erfolgen. Unangetastet bleibt die Schweizer Verfassungsbestimmung, wonach niemand in einen Staat ausgewiesen werden darf, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer Behandlung oder Bestrafung droht. 

Mord, Drogen, Nötigung

Ausländer sollen bei schweren Verbrechen sofort nach Verbüßung der Strafe das Land verlassen. Bei weniger schweren Taten soll dies geschehen, wenn die Person vorbestraft war. Zur ersten Kategorie werden unter anderem Mord und Totschlag, schwere Körperverletzung, Raub, gewerbsmäßiger Betrug, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Kriegsverbrechen sowie auch Betrug im Bereich der Sozialhilfe gezählt. Zur zweiten unter anderem einfache Körperverletzung, sexuelle Handlungen mit Kindern sowie Geldfälschung.

Auch Nachkommen betroffen

Gelten soll das auch für in der Schweiz geborene und aufgewachsene Nachkommen von Einwanderern, die nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft haben, sogenannte Secondos. Bisher können Richter in Härtefällen von Ausweisungen absehen. Mit der SVP-Initiative würden jedoch Einzelfallprüfungen und die Abwägung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung weitgehend entfallen. Gegner der Initiative machen geltend, dass dies gegen europäische Rechtsgrundsätze verstoße, zu denen sich die Schweiz im Rahmen bilateraler Verträge mit der EU bekannt habe.

Angstmachen hat Methode

Allerdings hat im Abstimmungskampf der SVP das Angstmachen Methode. In einem kostenlosen "Extrablatt" schildert SVP-Präsident Toni Brunner die Lage so: "Viele Menschen, vor allem Frauen, aber auch ältere Menschen oder Jugendliche, haben Angst vor Gewalt und Verbrechen und trauen sich deshalb kaum mehr aus dem Haus oder meiden nach dem Eindunkeln bestimmte Straßenzüge oder ganze Quartiere!" Die Schuldigen stehen fest: "Die meisten der Gewaltverbrechen wie zum Beispiel Vergewaltigungen werden von Ausländern verübt!"

Die neue Bronx?

Die Schweiz, überflutet von kriminellen Fremden und gefährlicher als einst die Bronx? Wer das glaubt, kann der SVP-Initiative eigentlich nur zustimmen. Allerdings: Sämtliche anderen Parteien des Landes, die Grünen, die Sozial- und Christdemokraten ebenso wie die Bürgerlich-Liberalen, weisen die Forderung strikt zurück. 120 Rechtsprofessoren und mehr als 270 amtierende sowie einstige Abgeordnete haben ein Gegen-Manifest unterzeichnet.

Faktenchecks

Und die Medien nehmen SVP-Argumente in "Faktenchecks" auseinander. Zum Beispiel die im Abstimmungskampf von der SVP vorgelegte Statistik, wonach die Zahl der verurteilten ausländischen Straftäter seit Mitte der 1980er Jahre von 14.000 auf inzwischen 57.000 pro Jahr gestiegen sei - im Vergleich zu 42.000 verurteilten Schweizern.

Diese Zahlen seien zwar an sich richtig, befand der Zürcher "Tages-Anzeiger". Jedoch hätten von den 2014 verurteilten 57.000 Ausländern lediglich 24.000 in der Schweiz gewohnt. "Die Mehrheit der Delikte wird von Ausländern begangen, die nicht zur Wohnbevölkerung gehören", konstatierte das Blatt. Abgesehen von der "eigenen" Ausländerkriminalität ist die Wohlstandsinsel Schweiz seit Jahren damit konfrontiert, dass Kriminelle aus Nachbarländern zu Raubzügen über die Grenzen kommen.

Großteil sind Kriminaltouristen

"Ein Großteil der durch Ausländer begangenen Delikte wird durch Kriminaltouristen begangen", erklärt Stefan Egli vom "Komitee gegen die Durchsetzungsinitiative", dem 54 Nichtregierungsorganisationen angehören. "Einen Kriminaltouristen interessiert es nicht, ob er die Schweiz nicht mehr betreten darf, wenn er sowieso illegal und nur hier ist, um Einbrüche zu begehen." Die SVP-Initiative sei "nichts anderes als eine Scheinlösung mit gravierenden Nebenwirkungen".

Unmittelbar anzuwendendes Recht

Die schlimmste "Nebenwirkung" sehen Gegner darin, dass die SVP-Initiative im Falle der Annahme unmittelbar anzuwendendes Recht wäre. Weder das Parlament, noch die Gerichte könnten dann noch etwas am Abschiebe-Automatismus ändern. Davon wären zwar durch Bestimmungen der Schweizer Verfassung auch künftig Kriegsgebiete sowie Staaten ausgenommen, in denen Abgeschobenen Folter oder eine andere Art unmenschlicher Behandlung droht. Dennoch machen Gegner der Initiative grundsätzliche politische und rechtliche Bedenken geltend.

So erklärt der Bundesrichter Thomas Stadelmann, ein Volksentscheid, der Minderheits- und Individualrechte missachte oder gar beseitige, sei "nicht mit dem bisher geltenden Konzept der Schweizerischen Demokratie vereinbar". In einem viel beachteten Beitrag für die "Schweiz am Sonntag" erklärte der Richter am obersten Gericht der Eidgenossenschaft, am 28. Februar gehe es um weit mehr als um juristische Fragen der Verhältnismäßigkeit bei der Ausweisung krimineller Ausländer - nämlich um "nicht weniger als die Zukunft der Demokratie".