Die strengen Sicherheitsvorkehrungen vom ersten Prozesstag am Dienstag waren geblieben, die Zuschauer wurden dagegen immer weniger. Der Angeklagte gab sich gelassen und wirkte mitunter sogar heiter - bis ihm der Staatsanwalt zeigte, dass er sich im Koran mindestens so gut auskennt wie der Beschuldigte. Das brachte den Bosnier zeitweise etwas aus der Fassung, trotzdem beteuerte er weiterhin, nie IS-Mitglied gewesen zu sein und niemanden für die Terrormiliz rekrutiert zu haben. "Aus ihrem Umfeld sind seit 2013 acht Personen nach Syrien gegangen", warf ihm der Ankläger vor, was den Bosnier aber nicht dazu brachte, von seiner Aussage abzurücken. Einer seiner Bekanten, mit dem der Beschuldigte mehrmals wegen eines "Ausflugs" telefoniert hatte, war aber auf einem relativ neuen Propaganda-Video in Großaufnahme als Kämpfer zu sehen.

Bei einer Hausdurchsuchung waren beim Angeklagten 150 CDs und DVDs sowie zahlreiche Videos auf dem Computer sichergestellt worden. Er gab an, er habe mit diesem Material nur Arabisch lernen wollen. Teilweise zeigen die Streifen aber nur blutige Hinrichtungen mit Gesängen oder Musik im Hintergrund, gesprochen wird gar nicht. "Aus diesen Videos können Sie kein Arabisch lernen, da sind wir uns einig", meinte der Richter.

Vorgeführt wurde dann auch jener Film, der zeigt, wie IS-Anhänger in einer Reihe stehen und gefangenen Soldaten mit einem Messer die Köpfe abtrennen. "Für mich ist das der Inbegriff der politischen Pornografie", meinte der Staatsanwalt zu dem blutigen Propaganda-Video. "Haben Sie den Film gesehen?", wollte der Richter vom Angeklagten wissen. "Weiß ich nicht", antwortete der Bosnier. "Das heißt, Sie schauen dauernd solche Filme?", schloss der Richter aus dieser Antwort. Nachdem die Hinrichtungen gezeigt worden waren, fragte der Vorsitzende den Beschuldigten: "Würden Sie hier mitmachen, wenn Sie dazu aufgefordert werden würden?" "Nein, ich bin seit 23 Jahren hier, ich würde keine schlimme Tat machen", lautete die Antwort. "Also geben Sie zu, dass es eine schlimme Tat ist?", hakte der Richter nach. "Ich kann das nicht sagen, ich weiß es nicht, ich war nicht dort", wich der Angeklagte aus.

Der Prozess sollte planmäßig am 1. März fortgesetzt werden. Es sind zahlreiche Zeugen geladen, ein Urteil wird frühestens für 3. März erwartet. Am Freitag stehen acht weitere Beschuldigte in Graz vor Gericht, auch sie sind wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung angeklagt.

Am zweiten Verhandlungstag bat der Beschuldigte darum, im Prozess "unnötige Verzögerungen zu vermeiden, wenn das möglich ist". Daraufhin ging der Richter mit ihm die Zeugenliste durch. "Ich brauche keinen von denen", meinte der Angeklagte vor allem in Hinblick auf die Zeugen der Anklage. Ob nun alle gehört werden oder nicht, wurde zunächst aber nicht entschieden.

Dann ging die Befragung durch den Richter weiter, der ganz konkret wissen wollte: "Würden Sie sich als Jihadist bezeichnen?". "Ich bin ein Muslim", antwortete der Bosnier. "Sind Sie ein Sunnit?", hakte der Richter nach, denn der Beschuldigte hatte sich in einer Einvernahme selbst so bezeichnet. "Ich bin ein Muslim, aber Sie können mich nennen, wie Sie wollen", meinte der Angeklagte betont höflich.

Dann ging es wieder um die Videos, die bei der Hausdurchsuchung sichergestellt wurden und die in vielen Fällen Gewaltszenen zeigen. "Ich habe die Videos gesammelt, um Arabisch zu lernen", beharrte der Beschuldigte. "Welche Art von Vokabeln wollten Sie dabei lernen?", fragte die beisitzende Richterin. "Ausdruck und so". "Aber das sind nur Gewaltvideos", entgegnete die Richterin. "Man sollte sich mit jedem Gebiet beschäftigen", war seine Antwort.

Auf einem der Filme war jener Bekannte zu sehen, den der Bosnier in einem Gebetszentrum angeworben und dann nach Syrien vermittelt haben soll. In einem Propaganda-Video für den IS ist er in der Reihe der Kämpfer in Großaufnahme zu sehen. "Warum steht der bei der Kampftruppe?", fragte der Richter. "Was kann ich dafür?", so der Befragte. Dann wurden ihm Telefongespräche vorgebracht, in denen er mit seinem Bekannten über einen "Ausflug" sprach - und zwar kurz vor dessen Ausreise nach Syrien. "Hast du schon Pläne?", fragte er den Kollegen. "Hier ist es nicht geeignet für einen Ausflug", soll auch gefallen sein. Angeblich ging es bei dem Gespräch um "einen Ausflug mit der Familie und so", erklärte der Angeklagte. "Wie stehen Sie zu einer Ausreise nach Syrien?", fragte der Richter. "Wer gehen will, soll gehen", antwortete der Bosnier.