Westliche Journalisten finden sich mit prorussischen Separatisten auf einer ukrainischen Sanktionsliste wieder. Gesperrte Konten, Überflugverbote, Strafen für Reporter: Mit einer kompromisslosen Sanktionsliste wollte die ukrainische Führung im Konflikt mit Russland Härte zeigen. Doch was als Demonstration der Stärke geplant war, wurde Beobachtern zufolge zum politischen Eigentor, zum PR-Desaster für die prowestliche Führung.

Journalisten etwa der britischen BBC sowie aus Deutschland und Spanien befanden sich plötzlich - als "Sicherheitsrisiko" - auf einer Liste zum Beispiel mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und moskautreuen Separatisten. Wie genau der Vorwurf gegen die Korrespondenten lautet, weiß nur der ukrainische Geheimdienst SBU.

Schnell folgte ein Sturm der Entrüstung. Als "unverhältnismäßig" kritisierte die Organisation Reporter ohne Grenzen die Liste, und auch die EU-Kommission reagierte mit "völligem Unverständnis". BBC-Auslandsredakteur Andrew Roy sprach von einem "beschämenden Angriff auf die Pressefreiheit" und forderte mit Nachdruck, die drei Mitarbeiter des Senders sofort von der Liste zu entfernen.

Verwunderung

Roy verwunderte demnach besonders, dass sogar ein Kameramann betroffen war. Auch andere Namen sorgten für Erstaunen. So gelten zwei spanische Journalisten, die in der Liste aufgeführt sind, seit 2014 im syrischen Gebiet der Terrormiliz Islamischer Staat als vermisst. Sind sie wirklich ein Sicherheitsrisiko für die Ukraine, fragten sich viele in Kiew. Auch ein für Südafrika zuständiger Reporter der russischen Staatsagentur Tass war nach eigenen Angaben nie in der Ukraine und hat nie über das Land berichtet.

Eigentlich habe der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit der Liste nur Kritiker in den eigenen Reihen beruhigen wollen, meinen Beobachter. Immer wieder sah sich die Führung in Kiew dem Vorwurf ausgesetzt, im Gegensatz zu den "Freunden" im Westen keine Sanktionen gegen den "Aggressorstaat" Russland zu verhängen.

Nach monatelangen Beratungen setzte Poroschenko am Mittwochabend per Ukas einen Beschluss des Sicherheitsrates in Kraft: Fast 400 Menschen wurden mit Einreiseverboten belegt, mehr als 100 Firmen und Organisationen können in der Ukraine nur eingeschränkt oder gar nicht mehr tätig sein. Damit sollte der ständigen Kritik, dass Poroschenko nicht entschieden genug gegen den Moskauer Einfluss vorgehe, ein Ende gesetzt werden. Doch der Schuss ging offensichtlich nach hinten los.

Nach der massiven Kritik reagierte Poroschenko prompt und ordnete eine Streichung der BBC-Vertreter von der Liste an. "Pressefreiheit ist für mich ein absoluter Wert", versicherte der Staatschef. Informationsminister Juri Stez versprach zudem: "Journalisten, die die Berufsstandards einhalten, wird es auf der Liste nicht geben." Der Sicherheitsrat bestätigte später die Streichung der Namen der BBC-Reporter sowie des Deutschen Michael Rutz und der beiden Spanier.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrej Melnyk, sprach von einem "Missverständnis". Kritiker werfen der Führung in Kiew aber vor, dass Verbote inzwischen zu ihrem Standardrepertoire gehören. Über 1.700 vornehmlich russische Staatsbürger wurden bisher mit Einreiseverbot belegt. Hunderte Filme und Bücher sowie viele Fernsehsendungen aus dem Riesenreich sind in der Ukraine untersagt.

Traurigen Tiefpunkt

Mancher in Kiew sieht die jetzige Liste als traurigen Tiefpunkt einer längeren Entwicklung seit dem Machtwechsel vor gut einem Jahr. Die in die EU und NATO strebende Führung zementiere ihre Macht mit Restriktionen, die aber wohl nur ihre Verunsicherung beweisen würden.

Mit dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch brach die ukrainische Gesellschaft vor eineinhalb Jahren nach eigener Wahrnehmung scheinbar in eine freiere europäische Zukunft auf. Einreiseverbote gegen westliche Journalisten würden aber ein schlechtes Licht auf die Kiewer Führung werfen, betonen Politologen in der früheren Sowjetrepublik. Trotz der Rücknahme einiger Strafmaßnahmen bleibe ein bitterer Nachgeschmack dieser "Sanktionen gegen Russland".