Zur Eindämmung der Schlepperkriminalität im Mittelmeer will die EU für den Menschenschmuggel genutzte Boote zerstören. Frankreich werde eine Resolution beim UN-Sicherheitsrat einbringen, damit die Schiffszerstörung mit militärischen Mitteln autorisiert werde, sagte Staatspräsident Francois Hollande nach dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am Donnerstagabend in Brüssel.
Völkerrechtliche Grundlage nötig
Eine völkerrechtliche Grundlage sei für den geplanten Einsatz notwendig, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese könne vom UN-Sicherheitsrat kommen, oder von einer libyschen Einheitsregierung. Derzeit gibt es in Libyen, von wo aus die meisten Flüchtlinge Richtung Europa aufbrechen, zwei konkurrierende Regierungen und Parlamente.
Zwei Schiffe aus Deutschland
Deutschland wird zudem zwei Schiffe - eine Fregatte und einen Versorger - zur Verfügung stellen, um die Rettungschancen für schiffbrüchige Flüchtlinge zu erhöhen. Diese Schiffe sollten der EU-Mission "Triton" unterstellt werden, sagte Merkel
Der Gipfel habe die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beauftragt, die Möglichkeiten für ein solches Mandat zu prüfen, sagte Merkel. Beim Kampf gegen die Schleuser sei an die Zerstörung von Booten genauso gedacht wie an die Beschlagnahmung von Vermögenswerten und das Aufspüren von Schleppernetzwerken
Scharfe Kritik an EU-Beschlüssen
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben mit ihren Gipfelbeschlüssen zur Flüchtlingskrise für scharfe Kritik gesorgt. Das Treffen am Donnerstag in Brüssel sei "eine Gesichtwahrungs-, keine Lebensrettungsoperation" gewesen, erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Die Hilfsorganisation Oxfam sprach von einer vertanen Chance. Besonders kritisiert wurde, dass das Einsatzgebiet der EU-Überwachungsmissionen auf See nicht ausgedehnt wurde, worüber die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut beraten will.
Problem würde nur halbherzig angegangen
"All die Worte und Ressourcen, die auf dieses Problem verwendet werden, legen nahe, dass die EU-Oberhäupter es ernst meinen mit dem Retten von Leben auf hoher See", erklärte der Europa-Chef von Amnesty, John Dalhuisen. "Aber die Wahrheit ist, dass sie das Problem weiter nur halbwegs angehen." Wenn das Einsatzgebiet der EU-Seemissionen nicht ausgeweitet werde, "werden Migranten und Flüchtlinge weiter ertrinken".
Bei dem EU-Gipfel war beschlossen worden, die Mittel für die EU-Überwachungsmissionen auf See zu verdreifachen. Der "Triton"-Einsatz vor Italien hat damit rund neun Millionen Euro pro Monat zur Verfügung - ebenso viel wie der im November eingestellte italienische Seenotrettungseinsatz "Mare Nostrum" hatte. Dieser reichte aber bis vor die Küste Libyens, von wo aus sich die meisten Flüchtlinge derzeit auf den Weg nach Europa machen. Hauptaufgabe von "Triton" und des "Poseidon"-Einsatzes vor Griechenland ist zudem der Grenzschutz und nicht die Seenotrettung.
Leben retten als oberste Priorität
Oxfam erklärte, die Gipfelbeschlüsse seien "vollkommen unzureichend". Die Seemissionen müssten "ein klares Mandat, als oberste Priorität Leben zu retten", bekommen, forderte der Leiter der Oxfam-Programme in Italien, Alessandro Bechini. Außerdem dürfe es keine geografischen Beschränkungen für die Seenotrettung geben. Oxfam kritisierte, vor allem arme Länder müssten die Flüchtlingskrise bewältigen, während die EU keinen fairen Beitrag leiste.
Merkel hatte nach dem Gipfel gesagt, über die Frage des Einsatzgebiets müsse aus ihrer Sicht erneut gesprochen werden - offenbar hatte es Widerstand bei anderen Staaten gegeben. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, das Mandat von "Triton" brauche "nicht diskutiert zu werden". Bei der Notwendigkeit von Seenotrettung gebe es "keine geografischen oder politischen Grenzen".