Eigentlich ist das Thema "Schuldenschnitt" spätestens seit dem letzten EU-Gipfel in Brüssel vom Tisch. Doch kaum hatten die Eurostaaten in der Vorwoche die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland bewilligt, erschallt aus  Athen erneut der Ruf nach einem Schuldenschnitt für das hochverschuldete Hellas. Sowohl der griechische Premier Alexis Tsipras als auch sein Finanzminister Yanis Varoufakis traten am Wochenende entgegen allen in Brüssel getroffenen Abmachungen wortgewaltig für einen von der Finanzwelt so genannten "Haircut" ein.

Sehr zum Ärger der Europartner. Insbesondere in den Ländern Süd- und Osteuropas, die ebenfalls Opfer der Finanzkrise waren, löst das Verhalten der neuen Regierung in Athen und deren enden wollender Reformwille unverhohlene Irritationen aus. Dies umso mehr, als Länder wie die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen  schmerzhafte Sparanstrengungen unternommen haben, um sich aus eigener Kraft aus der Krise emporezuarbeiten und der europäischen Währungsunion beizutreten. So wurden zahlreiche Gesundheitsleistungen und das Arbeitslosengeld stark gekürzt. Und die Löhne im Baltikum und in anderen osteuropäischen Ländern liegen zum Teil erheblichunter den griechischen Einkommen.

Auch in der Slowakei, in Tschechien und in Slowenien wächst der Groll über die Griechen. So legt man in Laibach dieser Tage demonstrativ Wert darauf, sich der Schulden- und Bankenkrise seit 2007 ohne europäische Hilfsgelder zu stellen. Und in Bratislava erklärte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico unlängst, das Ausland dürfe nicht für die bizarren Wahlversprechen der griechischen Regierungspartei Syriza zur Kasse gebeten werden. „Es wäre unmöglich, der Öffentlichkeit zu erklären, dass ausgerechnet die arme Slowakei für Griechenland aufkommen soll“, zürnte Fico.

Krude Verschwörungstheorien

Auch in Südeuropa, in Spanien und in Portugal, wo heuer Parlamentswahlen anstehen, bei denen vom Erfolg der Syriza inspirierten Protestparteien gute Chancen eingeräumt werden, verweist man auf die ungeheuren Sparanstrengungen der letzten Jahre. Beide iberischen  Staaten mussten bekanntlich unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Beide Länder haben gelichzeitig aber trotz ihrer eigenen prekären Lage Milliardenbeträge für die Rettung Griechenlands gestemmt.

Das war kein selbstverständlicher Akt der Solidarität. Trotzdem müssen sie  sich vom griechischen Premier nun vorwerfen lassen, ihn stürzen zu wollen. „Wir stehen einer Achse von Mächten, geführt von den Regierungen Spaniens und Portugals gegenüber", sagte Tsipras am Wochenende auf einer Sitzung seiner Syriza-Partei: Und legte nach: "Ihr Plan ist es, uns zu zermürben, unsere Regierung zu stürzen und sie in eine bedingungslose Kapitulation zu treiben, und zwar bevor unsere Arbeit Früchte tragen kann, bevor das griechische Beispiel andere Länder beeinflussen kann, vor allem vor den Wahlen in Spanien."

Die Empörung in Madrid ist nun groß: "Wir sind nicht verantwortlich für die Frustration in Griechenland", sagte Ministerpräsident Mariano Rajoy am Sonntag. Schuld sei allein die "radikale Linke", die der Bevölkerung unrealistische Versprechen gemacht habe.

Beschwerde in Brüssel

Nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid haben die konservativen Regierungen Spaniens und Portugals in Brüssel nun sogar Beschwerde wegen des Vorwurfs erhoben, sie hätten sich in der jüngsten Debatte über Hilfszahlungen gegen Griechenland zusammengerottet.

EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker seien aufgefordert worden, "die Äußerungen Tsipras' zu verurteilen", hieß es. Der spanische Staatssekretär für die Europäische Union, Inigo Mendez de Vigo, betonte, Spanien sei Griechenland nicht feindlich gesinnt, sondern "solidarisch mit dem griechischen Volk". Madrid verlange aber, dass die neue Regierung in Athen Verantwortung übernehme, denn die Probleme des Landes seien nur mit Reformen und "nicht mit Erklärungen" zu lösen.