Ein Istanbuler Gericht erließ am Dienstag Haftbefehl gegen Erdogans Erzfeind Fethullah Gülen. Die Staatsanwaltschaft wirft zudem dem Prediger Emre Uslu "Gründung und Führung einer bewaffneten Terrororganisation" vor. Beide leben in den USA.

Damit nimmt die Schwere der Vorwürfe gegen Gülen zu. Bereits im Dezember hatte ein Istanbuler Gericht Haftbefehl gegen ihn erlassen. Die Anklage beschuldigte Gülens "Hismet"-Bewegung damals, eine "kriminelle Vereinigung" zu sein. Unklar ist, ob die Türkei die Auslieferung Gülens und Uslus bei den USA beantragt hat.

Regierungsnahe Medien hatten Uslu vor wenigen Tagen beschuldigt, hinter dem Pseudonym Fuat Avni zu stecken. Unter diesem Namen verrät ein Whistleblower seit mehr als einem Jahr über Twitter Interna aus Regierung und Behörden. Dazu gehören beispielsweise bevorstehende Festnahmen von angeblichen Regierungsgegnern. Uslu wies das zurück.

Haftbefehle

Die Haftbefehle gegen Gülen, Uslu und mehrere weitere Verdächtige wurden im Zuge von Ermittlungen wegen eines Abhörskandals erlassen, bei dem Erdogan - damals noch als Ministerpräsident - und andere Regierungsvertreter ausspioniert wurden. Vor rund einem Jahr über soziale Medien veröffentlichte Mitschnitte brachten die Regierung vor wichtigen Kommunalwahlen unter Korruptionsverdacht.

Im Dezember waren der Chefredakteur der Gülen-nahen Zeitung "Zaman", Ekrem Dumanli, und der Chef des Gülen-nahen Medienkonzerns Samanyolu, Hidayet Karaca, unter Terrorverdacht festgenommen worden. Dumanli wurde unter Auflagen freigelassen, Karaca sitzt weiter in Haft.

Am 7. Juni wählt die Türkei ein neues Parlament. Erdogan verfolgt das Ziel, ein Präsidialsystem mit ihm an der Spitze einzuführen, wofür eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Dafür müsste die islamisch-konservative AKP, zu deren Mitbegründern Erdogan zählt, eine Zweidrittelmehrheit der Sitze gewinnen. Eine 60-Prozent-Mehrheit würde für ein Referendum über eine Verfassungsänderung ausreichen.