„Wozu müssen wir die Freundschaft mit Putin pflegen – kann sich Orban keine besseren Freunde suchen?“, empört sich Eszter, eine junge Frau, die mit etwa 1000 anderen am Abend vom Budapester Ostbahn zum Westbahnhof marschiert. „Haben die Menschen schon vergessen, wie sehr wir unter Moskaus harter Hand und der Sowjetunion gelitten haben?“.

Am Dienstag Nachmittag kam Putin mit großem Hofstaat nach Budapest zum Staatsbesuch. Insgesamt acht Verkehrsflugzeuge, darunter drei Präsidentenmaschinen vom Typ Iljuschin IL-96, zählte das Internet-Portal "nol.hu" unter Berufung auf Informationen des Budapester Flughafens Ferihegy am Dienstag. Eine Iljuschin IL-76 mit gepanzerten Autos für Putin und seine engsten Mitarbeiter war bereits am Vortag gelandet.

Es ist das erst Mal seit der Annexion der Krim durch Russland, dass die Regierung eines Nato-Landes den mit Sanktionen belegten Kreml-Herrscher empfängt. Im Vorjahr hatte ihm allerdings auch Wien diese Ehre erwiesen.

Offiziell wird es bei dem Besuch um Energiesicherheit und mögliche Gasverträge gehen. Etwa 60 Prozent seines Gasbedarfs deckt Ungarn über Gas aus Russland. Für Putin selbst aber hat das Treffen vor allem auch außenpolitische Bedeutung – für ihn ist jeder Wackelkandidat in der europäischen Sanktionsfront, den er auf seine Seite ziehen kann, ein Punktesieg. Nicht zuletzt deshalb war vor zwei Wochen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Budapest gereist, um Orban ein Bekenntnis zu Europa und der harten Haltung gegenüber Moskau abzunehmen.

Orban, der sein Land in den vergangenen Jahren näher an Russland herangeführt und damit Kopfschütteln in Brüssel ausgelöst hatte, beharrt jedenfalls darauf, selbst zu entscheiden, wen er empfängt: "Wladimir Putin ist ein umstrittener, aber auch anerkannten Akteur der europäischen Politik", so Orban. Die Zusammenarbeit schlägt sich auch ganz praktisch nieder: So beschlossen Orban und Putin bereits im Vorjahr, dass der russische Rosatom-Konzern zwei neue Reaktorblöcke im ungarischen Atomkraftwerk Paks bauen wird. Wenig überraschend sollen die Kosten durch einen russischen Staatskredit gedeckt werden.

Kritiker werfen dem ungarischen Premier vor, sich auch innenpolitisch immer stärker von Putins autoritären Vorstellungen leiten zu lassen und beklagen wachsenden Druck auf Bürgerrechtler, Zivilorganisationen und Medien. "Orban hat viel von Putin gelernt", rief Karoly Füzessy, der Sprecher der Protestierer in Budapest, auf der Kundgebung. „Wir wollen Richtung Europa, nicht Richtung Russland“, fordern die Menschen hier, und: „Wir brauchen keinen ungarischen Putin!“. Endgültig entschieden, so scheint es, hat Ungarn diese Frage für sich noch nicht.