Als Reaktion auf die mutmaßliche Enthauptung koptischer Christen haben Ägypten und Libyen am Montag Stellungen der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Libyen bombardiert.

Kampfflugzeuge hätten gezielte Luftangriffe auf Quartiere, Treffpunkte und Waffendepots des IS geflogen, teilte die ägyptische Armee in einer Erklärung mit.

Bei den ägyptischen sowie libyschen Luftschlägen sind nach Angaben des libyschen Luftwaffenkommandeurs Saker al-Dschoruschi mindestens 50 Islamisten getötet worden.

Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Augenzeugen in der IS-Hochburg Derna berichteten allerdings von Luftschlägen Montagfrüh. Die Stadt liegt am Mittelmeer, rund 300 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt. Es war der erste Luftschlag des ägyptischen Militärs im politisch zerrütteten Nachbarland.

Ägypten rief die Welt zu einem "entschlossenen Eingreifen" in Libyen auf. Kairo und Paris wollten eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates einberufen, um über "neue Maßnahmen" gegen die IS zu sprechen.

Die Jihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) hat in Libyen nach eigenen Angaben koptische Christen enthauptet. Der IS veröffentlichte am Sonntag im Internet ein Video, das die Tötung mehrerer Geiseln an der Küste in der libyschen Hauptstadt Tripolis zeigt. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi berief das Sicherheitskabinett ein und verhängte sieben Tage Staatstrauer.

Kirche bestätigt

Die koptisch-orthodoxe Kirche hat die Ermordung bestätigt. Demnach waren die koptischen Christen als Gastarbeiter in Libyen und "gerade auf dem Heimweg nach Ägypten, als ihr Bus von den Terroristen aufgehalten wurde", bestätigte der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, der "Bild"-Zeitung (Montag).

Die Terroristen verlangten demnach die Ausweise der Gastarbeiter, zwangen die Kopten zum Aussteigen. "Zuerst dachten wir an eine Entführung, doch eine Lösegeld-Forderung wurde nie gestellt", so Bischof Damian weiter. Angehörige der ägyptischen Kopten, deren Religion in ägyptischen Ausweisen vermerkt ist, wandten sich darauf an die ägyptische Regierung, baten um Hilfe.

"Wir wollten, dass diesen Menschen geholfen wird - doch die Behörden taten nichts. Und jetzt wurden diese Menschen getötet, nur weil sie Christen sind", sagte der Bischof. Islamisten verfolgten die Kopten in der Region bereits seit Jahren mit extremer Gewalt. "Männer werden systematisch gesucht, verfolgt, ermordet! Unsere Frauen und Mädchen werden auf offener Straße attackiert, weil sie kein Kopftuch tragen", sagte Damian.

"Barbarische" Tat

Die islamische Al-Ashar-Universität in Kairo verurteilte die Tat als "barbarisch". In dem Video tragen die Opfer orangefarbene Kleidung, wie sie oft von IS-Geiseln getragen wird. Bei den Opfern handelt es sich nach Angaben des IS um Kopten, die die Gruppe in Libyen entführt hatte. In dem Video ist die Enthauptung von mindestens zehn Geiseln zu sehen. Das ägyptische Staatsfernsehen sendete Ausschnitte aus dem Video.

Darin sagt einer der maskierten Täter, der eine Militäruniform trägt und ein Messer auf die Kamera richtet, auf Englisch: "Wir befinden uns hier südlich von Rom, im Land des Islam Libyen (...) das Meer, in dem ihr die Leiche von Scheich Osama bin Laden versteckt habt, wir schwören bei Allah, wir werden es mit eurem Blut mischen." Al-Kaida-Chef Osama bin Laden war im Mai 2011 bei einer US-Kommandoaktion in Pakistan getötet worden. Seine Leiche wurde an einem geheim gehaltenen Ort im Meer versenkt.

Ägyptens Präsident al-Sisi berief nach der Gräueltat im Nachbarland Libyen das Sicherheitskabinett ein, dem neben ihm auch die Minister für Verteidigung und Inneres sowie führende Militärvertreter angehören.

Pilot verbrannt

Die Al-Ashar-Universität in Kairo, eine angesehene islamische Universität, nannte die Ermordung der Kopten "barbarisch". Die Universität habe von den Enthauptungen "einer Gruppe unschuldiger Ägypter mit großer Sorge und Trauer" erfahren. "Al-Ashar betont, dass solch eine barbarische Tat nichts mit einer Religion der menschlichen Werte zu tun hat." Die koptische orthodoxe Kirche erklärte, sie sei "zuversichtlich", dass die Mörder der Ägypter bestraft würden.

Am Donnerstag hatten die Jihadisten in ihrer Onlinezeitung "Dabik" gemeldet, sie hätten 21 koptische Ägypter in ihrer Gewalt. Der libysche Arm des IS hatte im Jänner die Entführung von 21 Kopten gemeldet, die Behörden in Kairo bestätigten ihrerseits die Entführung von 20 Ägyptern in Libyen. Kopten waren in Libyen, das seit dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 keine funktionierende Staatsgewalt hat, bereits mehrmals Opfer von Gewalt.

Der IS brüstet sich immer wieder mit der Tötung von Geiseln. Zuletzt hatte die Gruppe in Syrien einen jordanischen Piloten bei lebendigem Leib verbrannt und zwei Japaner enthauptet.

"Feiger Mord"

Die US-Regierung hat die Ermordung als "feige" und "verabscheuungswürdig" verurteilt. "Die Barbarei des IS kennt keine Grenzen", hieß es in einer am Sonntagabend (Ortszeit) veröffentlichten Erklärung. Das Verbrechen unterstreiche erneut die dringende Notwendigkeit einer politischen Lösung im Konflikt in Libyen, "von dessen Fortsetzung nur Terroristengruppen wie der IS profitieren", erklärte das Weiße Haus.

Auch die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates nannten die Tat abscheulich. Sie unterstreiche die Brutalität des IS, hieß es in einer Mitteilung des Gremiums.