„Pinocchio“ gegen den „neuen Basescu“: Das ist die Wahl, die Rumänien am Sonntag hat, glaubt man den Parolen beider Seiten. Die bürgerlichen Parteien porträtieren den sozialdemokratischen Kandidaten Victor Ponta (42) als notorischen Lügner und haben sich dafür die Figur aus dem italienischen Märchen als Symbol ausgesucht. Umgekehrt identifizieren die Sozialdemokraten den bürgerlichen Kandidaten Klaus Johannis (55), der aus der deutschen Minderheit stammt, als Wiedergänger des unbeliebten Amtsinhabers Traian Basescu. Wichtiger als die Zugehörigkeit des neuen Präsidenten zu diesem oder jenem Lager ist jedoch die Rolle, die der Wahlsieger künftig spielen wird. Ponta will als starker Präsident agieren, Johannis will sich dagegen mit den eher bescheidenen Funktionen zufrieden geben, die die Verfassung dem Staatsoberhaupt zubilligt.

In der ersten Runde vor zwei Wochen hatte Ponta 40,4 und Johannis 30,4 Prozent der Stimmen bekommen. Von den übrigen zwölf Kandidaten empfahlen die meisten – und die mit den meisten Stimmen – ihren Wählern, in der zweiten Runde Ponta zu wählen. Der drittgereihte Liberale Calin Popescu-Tariceanu darf hoffen, unter Ponta Premier zu werden: Ein weiterer Gegenkandidat, Teodor Melescanu, wurde am Montag überraschend Außenminister. Verhaltene Unterstützung für Johannis haben nur die beiden Kandidatinnen Elena Udrea und Monica Macovei signalisiert; beide zusammen hatten vor zwei Wochen knapp zehn Prozent der Stimmen bekommen. Wie bei allen Wahlen siegten die „Roten“ in der Moldau und der Walachei, während Transsilvanien und das Banat an die bürgerlichen „Blauen“ gingen.

Zwei Männer, zwei Botschaften
So gegensätzlich wie die Wähler, die sie ansprechen, sind die beiden Kandidaten auch persönlich. In ihren Fernsehduellen nahmen die Rumänen einen wendigen, pointenreichen und schnell sprechenden Ponta und einen bedächtigen, ernsten, langsameren Johannis wahr. Beider Erscheinungen passen perfekt zur Botschaft: Johannis setzt auf Ehrlichkeit und will die verbreitete Korruption eindämmen, Ponta dagegen will Mittel für Investitionen und Rentenerhöhungen locker machen. Johannis las Ponta die stolze Liste von 38 Abgeordneten seiner Partei vor, gegen die wegen Korruption ermittelt wird. Umgekehrt warf Ponta Johannis vor, er wolle – wie seinerzeit Basescu – Löhne und Renten kürzen. Dass die Verfassung dem Präsidenten beim Kampf gegen die Korruption kaum und in Wirtschaftsfragen überhaupt keine Kompetenz gibt, ging im Streit unter.

Bei allen Duellen und Kontroversen saß Amtsinhaber Basescu unsichtbar mit am Tisch. Der 63-Jährige hat sich in seinen zehn Jahren an der Staatsspitze einen Dauerstreit mit dem Parlament geleistet, Kompetenzen an sich gezogen, seine Partei an der kurzen Leine gehalten, gezielt Informationen aus seiner Funktion als Geheimdienst-Koordinator lanciert und Politiker gegen einander ausgespielt. Zweimal wurde der Präsident vom Parlament suspendiert. Ponta war der erste, der es schaffte, sich gegen den erfahrenen Spieler im Cotroceni-Palast durchzusetzen – wenn auch mit den gleichen fragwürdigen Mitteln, die Basescu angewandt hatte.

In der Wirtschaftspolitik ist es Johannis, der näher bei dem überzeugten Neoliberalen Basescu steht, im Politikstil ist es Ponta. Im Fernsehduell am Mittwoch erinnerte Johannis daran, dass Basescu es war, der den ihm so ähnlichen Ponta seinerzeit als Regierungschef ernannt hatte – während der machtbewusste Präsident ihn, Johannis, gleich zwei Mal abgelehnt hatte. Sollte Johannis am Sonntag unterliegen, wäre für Basescu wieder die Rolle des großen Gegenspielers frei.

Spannend bis zuletzt
So klar allerdings, wie die Zahlen suggerieren, ist Pontas Sieg am Sonntag nicht. „Eine geeinte Rechte ist stärker als die Sozialdemokraten“, sagt der Ex-Sozialist und Soziologe Alin Teodorescu und erinnert an die Wahl 2004, als Basescu in der zweiten Runde einen mehr als 7-prozentigen Rückstand aus der ersten aufgeholt hatte. Entscheiden dürften die Stimmen der Auslandsrumänen, die mit großer Mehrheit bürgerlich wählen und die deutlich mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten ausmachen.

Nach dem ersten Wahlgang war es zu Demonstrationen gekommen, weil viele Auslandsrumänen ihre Stimme nicht hatten abgeben können. Briefwahl gibt es nicht, und vor den wenigen Wahllokalen in großen europäischen Städten ging der Wahlvorgang wegen schlechter Organisation schleppend voran: Es fehlten Unterlagen, personell waren die Lokale schwach besetzt. Etliche Wähler mussten Hunderte Kilometer anreisen und dann stundenlang warten. Wegen des Chaos war der zuständige Außenminister Titus Corlatean letzte Woche zurückgetreten. Nachfolger Melescanu, der allerdings fest ins Ponta-Lager gehört, hat für Sonntag Abhilfe versprochen. Mehr Wahllokale im Ausland will er aber nicht einrichten.