Mit einem Schuss aus einer alten Mörserkanone eröffnete die Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV) in Tschechien die heiße Phase ihres Wahlkampfs. An diesem Freitag und Samstag wird dort ein neues Parlament gewählt, und VV hat alle Chancen, als völlig neue Partei gleich die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Das liegt allein am Parteivorsitzenden Radek John, der die Umfragen über die Beliebtheit der Spitzenpolitiker anführt. 61 Prozent der Tschechen halten ihn für vertrauenswürdig. Damit ließ er auch den unbestrittenen Liebling vieler Tschechen, den ehemaligen Außenminister Karl Schwarzenberg, hinter sich.

Die erwähnte Mörserkanone war auf einem Platz auf der barocken Prager Kleinseite aufgestellt worden und zielte in Richtung des Regierungsamtes. Radek Johns Ziel ist damit klar umrissen: "Die alten Dinosaurier der tschechischen Politik sollen endlich weg!" Ähnlichkeiten mit dem Schuss vom Panzerkreuzer Aurora, der in Russland einst die Oktoberrevolution einleitete, wies John aber zurück. Er sei schließlich kein Linker, schon gar kein Kommunist. "Wir sind eine liberale Partei" , betonte der bärtige 58-jährige Jungpolitiker.

Radek John kommt jedoch nicht aus dem Nichts. Der studierte Regisseur hat zahlreiche Filme gedreht. Berühmtheit erlangte er als Chef einer investigativen Redaktion beim Privatfernsehsender TV Nova. Das von ihm geleitete Team deckte in der Reihe "Mit eigenen Augen" Dutzende Skandale auf, vor allem in der Politik. John wurde zu einer Art Anwalt der kleinen Leute, die sich von der Obrigkeit und der allgegenwärtigen Bürokratie schikaniert fühlten. Für die kämpfte er - immer mit einem gehörigen Schuss Populismus.

Johns Partei hat sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Wer für sie kandidieren will, muss damit rechnen, auf die Probe gestellt zu werden, schrieb die Zeitung "Pravo". So schicke John Gewährsmänner aus, die den potenziellen Kandidaten ein unlauteres Angebot machen. Wer den Bestechungsversuch nicht melde, fliegt nicht nur von der Kandidatenliste, sondern muss auch 20.000 Euro Strafe zahlen. Wer es ins Parlament schafft, muss sich einem strengen Fraktionszwang unterziehen. Gegen die eigene Partei zu stimmen, soll 280.000 Euro kosten. Ersatzweise kann man sein Mandat niederlegen.

Derlei kommt bei den politikverdrossenen Tschechen hervorragend an. Die sind nämlich an ein anderes Verhalten vieler ihrer Politiker gewöhnt. Jan Svejnar, einstiger Gegenkandidat für Vaclav Klaus als Präsident, monierte beim Wahlkampfauftritt für VV die Selbstbedienungsmentalität und mahnte eine völlig neue Politikkultur mit neuen, unverbrauchten Leuten an, eben mit Leuten wie Radek John.

Dunkle Privatseite

Das hohe Maß an Vertrauenswürdigkeit, das John für viele Tschechen verkörpert, hat aber schon Kratzer bekommen. In seinem Privatleben gibt es einen dunklen Punkt: Er hatte über Jahre ein außereheliches Verhältnis, aus dem ein Kind hervorgegangen ist. Als er dies seiner langjährigen Ehefrau beichtete, warf die ihn raus. Und Zlata Adamovska ist ebenso populär wie ihr Ex: Die Schauspielerin ist eine rothaarige Schönheit, die John nun zwar die Daumen für seine politische Karriere drückt, aber bezweifelt, dass er tatsächlich das Vertrauen der Wähler verdiene.

Doch auch ein lange geheim gehaltener Fehltritt ist für die meisten Tschechen kein Hinderungsgrund, einen Politiker zu wählen. In diesem Punkt sind die Tschechen überaus liberal. Und John steht mit seiner Eskapade nicht allein da. Ex-Premier Mirek Topolanek etwa betrog seine Frau mit einer Abgeordnetenkollegin und ein anderer Ex-Premier, der Sozialdemokrat Jiri Paroubek, verließ seine langjährige Ehefrau für eine Jüngere. Geschadet hat das keinem von beiden.