Sie wirken erstaunlich gelassen für einen ehemaligen Regierungschef, der sein bequemes Zuhause gegen eine Zwei-Mann-Zelle im Ausland eintauschen musste. Was macht Sie so locker?

IVO SANADER: Ich bin immer der Gleiche. Ich habe schon früher zur inneren Ruhe gefunden. Ich bin mit mir im Reinen und lebe im Jetzt. Dieser ungewollte Ortswechsel bringt mich nicht aus der Fassung.

Das klingt ja beinahe, als ob Sie sich hier wohlfühlten.

SANADER: Natürlich ist es nicht lustig im Gefängnis. Aber es geht mir den Umständen entsprechend gut. Die Beamten sind professionell. Und sie beweisen Einfühlungsvermögen. Am meisten fehlt mir meine Familie. Aber sie besucht mich wöchentlich.

Wie kommen Sie mit dem Gefängnisalltag und mit Ihren Mithäftlingen zurecht?

SANADER: Ich kenne solche streng strukturierten Tagesabläufe aus meiner Militärzeit im ehemaligen Jugoslawien. Das ist keine große Umstellung für mich. Mit meinem Mithäftling, einem Juristen, verstehe ich mich gut. Er arbeitet tagsüber in der Bibliothek. Da habe ich Zeit und Ruhe, um mich zu konzentrieren und an meiner Verteidigung zu arbeiten.

Warum sind Sie eigentlich hier?

SANADER: Das frage ich mich auch. Das Leben spielt manchmal eigenwillige Kapriolen. Also rein formell bin ich da, weil es einen Haftbefehl gegen mich gegeben hat und ich auf dem Rückweg in meine Heimat verhaftet wurde. Inhaltlich betrachtet weiß ich es noch immer nicht im Detail. Meinen Anwälten in Zagreb wurde noch immer keine Akteneinsicht gewährt.

Der Haftbefehl gegen Sie lautet auf den Verdacht des Amtsmissbrauches und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Was sagen Sie dazu?

SANADER: Das stimmt so nicht. Der Vorwurf im Haftbefehl lautet auf die Bildung einer Vereinigung zwecks Begehung von Straftaten. Das ist ein wesentlich milderer Tatbestand. Aber auch dieser Vorwurf entbehrt so wie alle anderen auch, die gegen mich gemacht werden, jeglicher Grundlage. Der Zagreber Korrespondent der Kleinen Zeitung hat geschrieben, die Anschuldigungen gegen mich stünden auf dünnen Beinen. Ich sage: Sie stehen überhaupt auf keinen Beinen.

Sie fühlen sich verfolgt?

SANADER: Gegen mich und meine Familie sind eine mediale Hexenjagd und eine Rufmordkampagne im Gange. Doch wir werden aus ihr stärker denn je hervorgehen. Meine Verteidigungsrechte werden durch die Vorverurteilung durch Medien und Politiker massiv eingeschränkt. Und das nicht erst seit meiner Verhaftung sondern seit Monaten. Es wurden bewusst Zeugen beeinflusst und unter Druck gesetzt, damit sie Aussagen gegen mich machen. Die Zagreber Staatsanwaltschaft hat diese Beeinflussung nie verfolgt oder aufgeklärt. Ebenso wird einzelnen Beschuldigten im Strafverfahren mildere Beurteilung oder Freispruch versprochen, wenn sie mich beschuldigen. Das war eine monatelange gezielte Strategie, um mich als Schuldigen abzustempeln.

Wie möchten Sie das beweisen?

SANADER: Es gibt notariell beglaubigte Erklärungen eines Zeugen. Die werden wir vorlegen. In Kroatien herrscht eine Atmosphäre der Angst. Viele Menschen sagen sich: Wenn man das mit dem ehemaligen Premier machen kann, was kann man dann erst mit mir machen?

Aber die Vorwürfe gegen Sie werden doch nicht nur aus der Luft gegriffen sein?

SANADER: Doch, das sind sie. Sie sind allein politisch motiviert.

Wer soll denn Ihrer Meinung nach hinter der Kampagne stecken?

SANADER: Das liegt doch auf der Hand. Die derzeitige Premierministerin Jadranka Kosor hat Angst, ich könnte an die Spitze der Politik zurück wollen. Das will sie auf jeden Fall verhindern. Der Vize-Präsident des Parlaments, Vladimir Seks, und der Generalstaatsanwalt Bajic helfen ihr dabei.

Aber die Premierministerin war doch lange Zeit Ihre Vertraute, Ihre politische Wegbegleiterin. Sie haben Jadranka Kosor ja sogar als Ihre Nachfolgerin vorgeschlagen. Wann kam es zum Bruch?

SANADER: Es war am 3. Jänner 2010. Ich habe in einer Pressekonferenz angekündigt, dass ich mich als Ehrenvorsitzender der Partei wieder stärker in die Führung der HDZ einmischen werde, aber nicht in die Führung der Regierung. Wir hatten soeben eine Schlappe bei der Präsidentschaftswahl erlitten. Unser Kandidat hat nur zwölf Prozent erhalten. Er hat mir daran die Schuld gegeben. Ich musste etwas unternehmen.

Wurden Sie mit offenen Armen empfangen?

SANADER: Im Gegenteil. Ich wurde einen Tag später aus der Partei ausgeschlossen. Und als Drohgebärde gegen mich hat Frau Kosor gleich einmal den Generalstaatsanwalt und den Innenminister zu sich zitiert. Da ist dann vermutlich der Auftrag ergangen, mich zu verfolgen.

Kann es nicht sein, dass Frau Kosor unter dem Druck der EU steht, das Land, das beitreten möchte, von der Korruption zu befreien und dabei vor prominenten Personen nicht Halt zu machen?

SANADER: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben heuer ein Wahljahr in Kroatien. Im Gefängnis kann ich ihr nicht gefährlich werden. Sie glaubt, sie gewinnt damit Wählerstimmen. Das wird sie nicht. Und die Partei wird dabei zugrunde gehen. Die eigentlichen Probleme des Landes bleiben derweil ungelöst.

Die da wären?

SANADER: Im Gegensatz zu Österreich oder Deutschland haben wir die Krise nicht bewältigt. Wir haben 360.000 Arbeitslose, die ausländischen Investoren bleiben zunehmend aus, der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sprechen im Zusammenhang mit Kroatien von griechischen Szenarien. Wir können unsere Schulden nicht mehr zurückzahlen, unser Image ist schlechter geworden, in der Wirtschaft herrscht nahezu Stillstand. Im Land herrscht eine Atmosphäre der Angst. Jeder, der einen Geschäftspartner zum Essen einlädt steht unter Korruptionsverdacht.

Bei Ihnen geht es ja wohl um mehr als um Essenseinladungen?

SANADER: Ich habe selbst gegen Ende meiner Amtszeit gleich drei Anti-Korruptionsgesetze auf den Weg gebracht. Ich hatte es niemals notwendig, mich bestechen zu lassen. Ich bin bereits als vermögender Mann in die Politik gegangen, habe mir schon vorher durch meine Arbeit etwas verdient. Alles, was jetzt beschlagnahmt wurde, habe ich rechtmäßig gespart. Ich habe schon nach meinem Studium in Innsbruck gutes Geld teilweise auch in Österreich verdient und dort natürlich auch versteuert.

Die Staatsanwaltschaft in Salzburg wirft Ihnen Geldwäsche vor.

SANADER: Das wird sich alles als haltlos herausstellen.