Sie könnte getrost darauf verzichten. Carla Bruni braucht das alles nicht wirklich, den Prunk des Palasts, den Hofstaat. Politik ist ihre Sache nicht. Die Präsidentengattin sagt das ganz offen. Und so perfekt das laufstegerfahrene Ex-Model auch die Pirouetten einer Première Dame dreht: Die freiheitsliebende Frau empfindet das Protokoll als einengend, als Korsett.

Er, der Instinktpolitiker, der Machtmensch, braucht das alles sehr wohl. Nicolas Sarkozy würde niemals freiwillig ins zweite Glied zurücktreten. Um an der Macht zu bleiben, streift sich der stolze Staatschef sogar das Büßerhemd über, geht nach Canossa. Und wenn Carla nicht mitgehen mag, dann geht er allein.

So ist er kürzlich zum Papst gereist, um Abbitte zu leisten. Benedikt XVI. hat den Gast milde lächelnd empfangen. Im Petersdom ist der Präsident niedergekniet, nicht auf dem purpurnen Stoffbänkchen, sondern ganz unten, auf hartem Steinboden. Sarkozy hat sich bekreuzigt, für Frankreich gebetet, hat sich wieder bekreuzigt, ist zum Grab des Petrus geschritten, hat sich ein weiteres Mal bekreuzigt, ein Vaterunser gebetet, ein viertes Mal bekreuzigt. Das Fernsehen war live dabei.

Nach dem wenig christlichen Umgang mit Frankreichs Roma wollte Sarkozy verstörten katholischen Wählern signalisieren: Der Heilige Vater verzeiht mir die Massenabschiebung, seid nun bitte nicht päpstlicher als er. Ein paar Stunden nur hat den Staatschef das Absolutionsszenario gekostet. Abends war er schon wieder bei Carla.

Meinungsforscher hatten ihm zuvor bedeutet, die Katholiken, die 2007 zu 72 Prozent seine Wähler waren, seien es nur noch zu 47 Prozent. Die rabiate Abschiebung der Roma, Sarkozys von fremdenfeindlichen Tönen durchdrungener sicherheitspolitischer Diskurs, die Freunderlwirtschaft mit den Reichen, all das hatte Anstoß erregt. Mit demonstrativer Frömmigkeit hieß es da, abtrünnige Schäfchen wieder einzufangen. Nicht, dass Katholiken bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2012 verstockt daheimbleiben oder gar für die zwar auch nicht sonderlich gottesfürchtige, aber sozial und fremdenfreundlich daherkommende Linke stimmen.

Der unbeliebteste Präsident

Der Präsident kann das ganz wunderbar. Er ist der Herr der Bilder. Was er zu sagen hat, er setzt es in Szene. Wobei die Halbwertszeit der Bilder gering ist. Sie transportieren die tagesaktuelle Botschaft, die Sarkozy unters Volk bringen will, mehr nicht.

Die Wähler sind wankelmütig. Der Präsident, der ihre Gunst nicht verlieren will, der ihnen mit Hilfe von Meinungsforschern unaufhörlich den Puls fühlt, ist es also auch. Ein großer Europäer wollte er einmal sein. Als EU-Ratspräsident war er es. Sarkozy entschärfte den Georgienkonflikt, wies in der Finanzkrise zögerlichen EU-Partnern den Weg. Das hinderte ihn aber nicht, in diesem Sommer rumänische und bulgarische Roma an den Pranger zu stellen, die neuen EU-Bürger in Massen abzuschieben und Europa sowie den Rest der Welt zu brüskieren. Der 55-Jährige hatte beschlossen, im Lager der rechtsradikalen Nationalen Front zu wildern, sich ihren Anhängern als politische Alternative anzubieten, den hemdsärmeligen Flic zu geben. So wie er jetzt eben beschlossen hat, die Uniform abzulegen und im Vatikan als barmherziger Christ vorzusprechen.

Alles ist diesem Mann zuzutrauen, auch dass er im November als neuer Vorsitzender der G- 20 den Staatsmann gibt, der auszieht, die Welt zu retten oder zumindest das aus den Fugen geratene Finanzsystem. "Wenn er sein Bestes gibt, ist Sarkozy ein außergewöhnlicher Politiker; wenn seine Kräfte schwinden, ist er nur noch ein skrupelloser Opportunist", urteilt der "Economist". Wobei der Großteil seiner Landsleute ihm zurzeit überhaupt nichts mehr zutraut.

Aber zu Hause bringt es Sarkozy nur auf 26 Prozent Zustimmung. Nie war ein französischer Präsident unbeliebter. Und bis 2012 ist nicht mehr so viel Zeit.