Die finnische Fluggesellschaft Finnair hat ihre Flüge in die estnische Stadt Tartu wegen GPS-Störungen für einen Monat ausgesetzt. Die Verbindungen nach Tartu würden bis 31. Mai unterbrochen, bis „eine alternative Anfluglösung, die kein GPS-Signal erfordert, am Flughafen Tartu eingerichtet werden kann“, erklärte Finnair am Montag. Der estnische Außenminister Margus Tsahkna bezeichnete die GPS-Störungen als Folge eines „hybriden Angriffs Russlands“.
„Russland weiß ganz genau, dass die von ihm verursachte Störung sehr gefährlich für unsere Luftfahrt ist und gegen die internationalen Konventionen verstößt, denen auch Russland beigetreten ist“, sagte Tsakhna im öffentlich-rechtlichen Rundfunksender EER weiter. Die Störungen seien das Ergebnis „absolut vorsätzlicher Handlungen“.
Groß angelegtes „Jamming“
Finnair ist die einzige Fluggesellschaft, die internationale Verbindungen nach Tartu anbietet. Ziel sei es nun, einen „sicheren und störungsfreien Flugbetrieb“ am Flughafen Tartu ohne GPS-Signal zu gewährleisten, erklärte Finnair-Betriebschef Jari Paajanen. An den meisten Flughäfen würden solche alternativen Anflugmethoden bereits genutzt.
Finnair zufolge haben ihre Piloten bereits mehrfach GPS-Störungen gemeldet, insbesondere nahe der russischen Exklave Kaliningrad sowie rund um das Schwarze Meer, das Kaspische Meer und das östliche Mittelmeer. In der vergangenen Woche waren zwei Flugzeuge auf dem Weg von Helsinki nach Tartu wegen GPS-Störungen wieder in die finnische Hauptstadt zurückgekehrt.
Am Sonntag hatten die Außenminister der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen in einem Interview mit der britischen Zeitung „Financial Times“ gewarnt, dass Russland durch groß angelegtes sogenanntes „Jamming“, also die gezielte Störung von GPS-Signalen, die Gefahr eines Flugunglücks erhöhe. Die Chefdiplomaten verwiesen dabei auf Flüge aus und nach Finnland.
„Wenn jemand die Scheinwerfer ausschaltet, während man nachts Auto fährt, wird die Fahrt gefährlich. Die Situation in der baltischen Region nahe der russischen Grenze ist inzwischen zu gefährlich, um sie zu ignorieren“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis.
Experten zufolge waren in den letzten Monaten Zehntausende von zivilen Flügen von GPS-Störungen betroffen. Die Störung, die alle GPS-Nutzer in dem Gebiet betrifft, hat auch die Signale von Schiffen in der Ostsee gestört, was zu Warnungen der schwedischen Marine führte.
Auch der Luftfahrtexperte und Pilot Thomas Friesacher spricht gegenüber der Kleinen Zeitung von einem „massiven Schaden für die Luftfahrtsicherheit“. „Man muss sich den Luftverkehr wie ein Straßensystem am Boden vorstellen. Das GPS-System ist also sehr wichtig“, betont Friesacher. Früher seien gewisse Wegpunkte an geografische Orte gebunden gewesen. Heute arbeite man fast ausschließlich mit GPS-Koordinaten. Die derzeitigen Attacken auf GPS-Systeme führen dazu, dass Piloten falsche Standorte angezeigt bekommen, die 40 bis 50 Meilen versetzt wurden. „Das mag in Reiseflughöhe zunächst nicht weiter schlimm sein. Aber bei einem Landeanflug, bei Hindernissen und Bergen, ist das hochproblematisch“, erklärt Friesacher. Nicht zuletzt, weil der Ausfall womöglich nicht gleich bemerkt werde. Bei schlechtem Wetter könne notfalls nämlich auch nicht auf „Sichtflug“ zurückgegriffen werden.
Die Luftfahrt würde durch die Angriffe „dreißig bis vierzig Jahre“ zurückgeworfen werden. Zwar verfügen Flugzeuge weiterhin über „analoge“ Backupysteme abseits der GPS-Berechnung, diese seien jedoch schon lange nicht mehr „state of the art“, fehleranfällig und wartungsintensiv.
Nicht zuletzt würden sich die GPS-Angriffe auch auf die Bevölkerung auswirken. Am Ende des Tages wird dadurch nämlich das Fliegen teurer. Das Zurückgreifen auf ungenauere Systeme führe laut Friesacher nämlich dazu, dass die Abstände zwischen den Flugzeugen wieder größer gehalten werden müssten. Dadurch käme es zu weniger Flügen und diese wiederum würden teurer ausfallen.