Begleitet von Demonstrationen hat vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung zur Völkermord-Klage gegen Israel begonnen. Zum ersten Mal stellt sich Israel der Klage Südafrikas zum Gaza-Krieg. Der Vertreter Südafrikas warf Israel in seiner Einlassung vor dem höchsten UNO-Gericht „völkermörderisches Handeln“ vor und verglich den Umgang mit den Palästinenserinnen und Palästinensern mit dem Apartheid-System der Rassentrennung. Israel weist den Vorwurf zurück.

Was genau wird Israel vorgeworfen?

Südafrika hat beim Internationalen Gerichtshof eine Klage eingereicht, in der Israel Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vorgeworfen wird. In einem weiteren Anklagepunkt wird Israel zudem beschuldigt, nichts unternommen zu haben, um einen Völkermord in Gaza zu verhindern. Seit Beginn des Krieges sollen insgesamt 23.000 Menschen ums Leben gekommen sein, zwei Drittel davon Frauen und Kinder.

Worauf stützt sich die Anklage?

Die Anklageschrift umfasst insgesamt 84 Seiten. Die Anklage stützt sich auf Äußerungen israelischer Politiker, die während des Krieges von der Auslöschung des Gazastreifens gesprochen hatten. Während des Krieges hatten mehrere israelische Regierungspolitiker einen harten Ton angeschlagen. Auch Verteidigungsminister Joaw Galant wird in der Anklageschrift mehrfach zitiert.

Wie ist die Anklage zu bewerten?

Der Völkerrechtler Ralph Janik bewertet die Anklage gegenüber dem Ö 1-Morgenjournal als „geschickten Schachzug Südafrikas“. Vor allem der zweite Punkt, in dem Israel vorgeworfen wird, zu wenig gegen Völkermord zu unternehmen, könnte zu einer Verurteilung führen.

Wie verteidigt sich Israel?

Israel verteidigt sich vor allem mit dem Verweis auf sein Recht auf Selbstverteidigung, das der Staat gegen die Angriffe der Hamas geltend macht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer ersten Stellungnahme davon, die Hamas und nicht die Palästinenser zu bekämpfen. Als Beweis dafür führen die Israelis an, dass sie Hilfstransporte zulassen und die Zivilbevölkerung immer wieder vor Angriffen warnen. All das würde man nicht tun, wenn man tatsächlich einen Völkermord plane, so Vertreter Israels.

Was wären die Folgen einer Verurteilung?

Bis zu einem Urteil in der Völkermordklage kann es noch Jahre dauern. Eine erste Entscheidung des Gerichts wird aber im Jänner erwartet. Südafrika hat zudem eine Art „einstweilige Verfügung“ beantragt. Sollte dieser stattgegeben werden, müsste Israel die Kampfhandlungen in Gaza einstellen. Das Problem: Der Internationale Gerichtshof hat keine Polizisten oder andere Beamte, die sein Urteil durchsetzen könnten. Israel könnte also trotz eines Urteils weitermachen. Auf diplomatischer Ebene wäre ein Urteil allerdings ein herber Rückschlag. Internationale Verbündete wie die USA könnten sich dann von Israel abwenden, analysiert ORF-Korrespondent Tim Cupal im Ö 1-Morgenjournal.