Es hatte sich schon bei den letzten Abstimmungsrunden abgezeichnet: Für oder gegen die weitere Verwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat hätte es jeweils einer qualifizierten Mehrheit (mindestens 55 Prozent der EU-Staaten, also 15 von 27 Ländern, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Europäischen Union ausmachen) bedurft. Dazu kam es nie, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Bei der ersten Abstimmung am 13. Oktober stimmte Österreich – wie auch Kroatien und Luxemburg – aufgrund eines Parlamentsbeschlusses gegen den Antrag. Sechs EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, enthielten sich. Auch gestern, bei der letzten Gelegenheit, blieb es beim Patt – und damit erst recht bei einer Entscheidung. Denn am 15. Dezember läuft die aktuelle Zulassung aus, bis dahin hätten sich die Mitgliedsländer durchringen müssen.

Aus juristischer Sicht verpflichtet

Da das ausblieb, tat sie EU-Kommission, was sie tun musste: Der Einsatz von Glyphosat wird um weitere zehn Jahre zugelassen. Die kritischen Stimmen, etwa jene des SPÖ-Europasprechers Jörg Leichtfried, gehen wohl an die falsche Adresse. Er spricht von einem „Sieg der Agrar- und Pharmalobby“ und von einem „schwarzen Tag für Menschen, Tiere und Umwelt“. Den Ball schiebt er freilich nicht den gescheiterten Verhandlern zu, sondern der EU-Kommission: Es sei „völlig unakzeptabel, dass die Kommission dem Druck nachgegeben hat“. Doch die Behörde hat bloß getan, was zu tun war: „Wir sind aus juristischer Sicht dazu verpflichtet, eine Entscheidung vor Ablauf der Frist zu treffen“, heißt es dazu in einer Mitteilung. Eine Neubewertung während der Laufzeit sei jedoch bei neuer Informationslage möglich.

Nicht ohne Verweis auf die Grundlagen, auf die sich auch die Befürworter weiterer Glyphosatverwendung, allen voran EVP-Abgeordnete und Bauernvertreter, berufen. Im Dezember 2019 sei bereits eine wissenschaftliche Untersuchung begonnen worden, begleitet von den Mitgliedsländern Frankreich, Ungarn, Niederlande und Schweden und durchgeführt von den beiden EU-Agenturen EFSA (Nahrungsmittelsicherheit) und ECHA (Chemieagentur). Am Ende standen 16.000 Studien, von denen mehr als 2000 relevant eingestuft wurden. Sie sahen die Weiterverwendung unkritisch.

Zwei Drittel der EU-Bürger seien dagegen

„Die Kommission hat dieses Ergebnis selbst forciert, weil sie nach der ersten Abstimmung über die Zulassung ihren rechtswidrigen Vorschlag nicht verändert hat. Erneut lagen zehn weitere Jahre Glyphosat mit nur minimalen Einschränkungen auf dem Tisch“, kommentierte hingegen Sarah Wiener, Grüne EU-Abgeordnete und Berichterstatterin der neuen EU-Pestizidverordnung, die kommende Woche im EU-Parlament abgestimmt wird. Zwei Drittel der EU-Bürger und Bürgerinnen seien laut Umfragen gegen Glyphosat. Wiener zitierte auch aus einer neuen, noch nicht veröffentlichten Studie des italienischen Ramazzini-Instituts über dessen gesundheitlichen Auswirkungen. 

Für die weitere Verwendung von Glyphosat soll es zumindest Einschränkungen geben, zum Beispiel ein Verbot der Verwendung als Trockenmittel vor der Ernte und die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von umliegenden Pflanzen. In der Landwirtschaft, in der es bei weitem am meisten zum Einsatz kommt, bleibt es aber erlaubt.