Mit dem Ende der strikten Finanzkontrolle bekommt die griechische Regierung mehr Gestaltungsspielraum. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes wird nicht mehr in Brüssel gemacht, sondern in Athen – wenn auch im Rahmen der EU-Stabilitätsvorgaben.

278 Milliarden Euro

Für den griechischen Finanzminister Christos Staikouras ist es ein Wendepunkt: "Nach zwölf Jahren geht ein schwieriges Kapitel für unsere Nation zu Ende" kommentierte er jetzt das Ende der Kuratel. Griechenland kehre damit zur Normalität zurück, so Staikouras. Mit dem Ende der verschärften Kontrollen zieht die EU-Kommission einen formellen Schlussstrich unter die Schuldenkrise, die das Land im Frühjahr 2010 an den Rand des Zahlungsausfalls geführt hatte. Mit dem größten Kreditprogramm der internationalen Finanzgeschichte wurde das Land gerettet: Internationale Finanzhilfen von 278 Milliarden Euro flossen nach Athen. Im August 2018 liefen die Hilfsprogramme aus.
Das damals eingeführte verschärfte Überwachungsverfahren sah vierteljährliche Überprüfungsmissionen zur wirtschaftlichen Lage und zur Reformagenda vor. Dieses Monitoring sollte helfen, Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Das ist aus Sicht der Brüsseler Kommission gelungen. Sie lobte jetzt, dass sich als Ergebnis der griechischen Reformanstrengungen "die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft erheblich verbessert" hatte.

Folgen der Krise noch spürbar

Vom "Grexit", einem Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion, redet heute niemand mehr. Aber die Folgen der Krise sind längst noch nicht überwunden. Zwischen 2008 und 2015 verlor Griechenland fast 28 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Heute hat es den größten Schuldenberg und eine der höchsten Arbeitslosenquoten der EU.
Aber die Wirtschaft erholt sich. Im vergangenen Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 8,3 Prozent. Die größten Fortschritte kann Griechenland bei der Konsolidierung des Haushalts vorweisen – auch wenn die Pandemie und die Energiekrise das Land, wie fast alle EU-Staaten, fiskalisch zurückgeworfen haben. In diesem Jahr wird deshalb die Primärbilanz des Haushalts mit einem Minus von zwei Prozent des BIP abschließen. Aber im kommenden Jahr will Griechenland auf den Pfad der fiskalischen Tugend zurückkehren und einen Überschuss von einem Prozent erwirtschaften. 2023 soll der Primärüberschuss auf 2,1 und 2025 auf 2,4 Prozent steigen.

Überschüsse sind wichtig, damit Griechenland seinen Schuldenberg abtragen kann. Die Staatsschuldenquote erreichte im Corona-Krisenjahr 2020 mit 206,3 Prozent vom BIP einen neuen Rekord.
Auch wenn Griechenland die höchste Schuldenquote in der EU hat, gilt das Risiko eines Rückfalls als gering. Der Grund liegt in der Schuldenstruktur: Drei Viertel der Verbindlichkeiten liegen bei öffentlichen Gläubigern wie dem Euro-Stabilitätsfonds ESM. Mit 20 Jahren hat Griechenland die längste mittlere Laufzeit der Staatsverschuldung aller EU-Länder, der durchschnittliche Zinssatz liegt bei 1,4 Prozent.
Mit dem Ende der verschärften Aufsicht erwartet Griechenland jetzt auch die Auszahlung von Schuldenerleichterungen in Höhe von 748 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um Kursgewinne, die die Europäische Zentralbank und nationale Notenbanken mit Stützungskäufen griechischer Staatsanleihen gemacht haben.

Unter Beobachtung 

Der Abschluss der verstärkten Überwachung bedeutet jedoch kein Ende der Prüfungen. Griechenland bleibt wie die anderen Programmländer Irland, Spanien, Zypern und Portugal unter Beobachtung. Die Überprüfungen finden aber nur noch alle sechs Monate statt. Diese Aufsicht wird fortgesetzt, bis die Länder drei Viertel der gewährten Hilfskredite zurückgezahlt haben. Im Fall Griechenlands wird das planmäßig erst 2059 der Fall sein.