Innerhalb der letzten 24 Stunden wurden 3515 Neuinfektionen in Österreich verzeichnet. Nach der konstituierenden Sitzung des neuen Obersten Sanitätsrats informierten heute Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Katharina Reich (Direktorin für die Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium).

Anschober betonte: Das Wiederansteigen der Infektionszahlen bereite ihm Sorgen. "Es ist noch nicht exponentiell, aber linear, Tag für Tag um 400 bis 500 Neuinfektionen mehr." Der Gesundheitsminister betonte: "Ganz Europa ist in der dritten Welle, wir auch."

Insbesondere in Ostösterreich dramatisiere sich die Lage. Das britische Virus sei dort bereits in 80 bis 93 Prozent der Fälle nachweisbar. Und diese Mutante sei "dynamischer, aggressiver und verursacht mehr schwere Fälle". Die intensivmedizinischen Abteilungen in Ostösterreich näherten sich bereits der Belastungsgrenze, ähnlich wie im Herbst. Man werde regional gegensteuern. Am Montag würden die neuen Maßnahmen kommuniziert.

Es gebe auch eine spürbare Veränderung in der Altersstruktur: Immer jüngere Menschen landeten auf Intensivstationen. Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, 42 Jahre alt, sei ein aktuelles Beispiel.

Wie geht es weiter mit AstraZeneca?

Nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) gehe es mit den Impfungen voll weiter, Österreich liege im internationalen Vergleich gut. 1,2 Millionen Impfungen seien bereits durchgeführt, 11,5 Prozent der in Frage kommenden Bevölkerung über 18 seien bereits mindestens einmal geimpft.

Der AstraZeneca-Impfstoff sei sicher und wirksam, das Verhältnis des Risikos zum Nutzen eindeutig, aber auf das "Signal in einem Teilbereich" müsse man in den Beratungen und bei den Impfungen verstärkt hinweisen. Folgende Empfehlungen formulierten Anschober und Reich:

  • Betroffen von dieser "sehr seltenen Gerinnungsstörung" (das Risiko betrage 1 zu 100.000) seien vor allem Frauen unter 55. Eine genetische Disposition im Zusammenhang mit komplexen Immunreaktionen führe in diesen Fällen zu Thrombosen.
  • Diese sollten sich, wenn sie Sorgen haben, vor der Impfung an ihren Vertrauensarzt wenden, um das Risiko abzuklären. Den Impfstoff könne man sich auch künftig nicht "aussuchen", außer bei Ausnahmen.
  • Es gebe keine Hinweise auf vermehrte Probleme bei bestimmten Chargen oder in Bezug auf bestimmte Herstellungszeitpunkte.
  • Vom vorbeugenden Einsatz gerinnungshemmender oder aktivierender Medikamente wird abgeraten, die bestehende Medikation soll in jedem Fall beibehalten werden.
  • Nach der Impfung soll man sich selbst beobachten und bei Auffälligkeiten, die über die üblichen Impfreaktionen (leichtes Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen) hinausgehen, den Arzt konsultieren.
  • Es sei sichergestellt, dass sofort ein Blutbild gemacht werden könne, wenn aufgrund der Selbstbeobachtung entsprechende Sorge besteht.
  • Impfschäden würden direkt vom Gesundheitsministerium "abgewickelt", allfällige Entschädigungen seien sichergestellt, antwortete Anschober auf eine entsprechende Frage.

In den Altersheimen wirke die Impfung bereits, die Zahl der Todesfälle sei massiv zurückgegangen, über eine Lockerung der Besuchsregelungen werde gerade nachgedacht. "Kontrollierte Besuche" sollen wieder möglich sein.

Der Oberste Sanitätsrat, das gesetzlich verankerte, unabhängige Beratungsgremium des Gesundheitsministers, für Fragen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wurde nach Ablauf der dreijährigen Funktionsperiode nicht neu bestellt – und das ausgerechnet während der wohl größten Gesundheitskrise, in die das Coronavirus Österreich und die ganze Welt gestürzt hat.

Katharina Reich betonte, sie sei noch keine 100 Tage im Amt. Die Wiederkonstituierung des Obersten Sanitätsrates, noch vor Ablauf dieser ersten Phase sei ein wichtiger Meilenstein für sie. Sie freue sich vor allem darüber, dass auch die pflegenden Angehörigen und Vertreter der Plattform Patientensicherheit im Obersten Sanitätsrat vertreten seien.

Der OSR wurde 1870 gegründet, "um zur Bekämpfung von Epidemien die fachliche Beratung sicherzustellen", schrieben im Herbst 2020, Public-Health-Experten der Med-Uni Wien, in einem Brief an Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Die im Herbst 2019 anstehende Wiederernennung sei unterblieben: Damals war die Beamtenregierung im Amt, die bewusst keine personellen Fakten schaffen wollte.

Der letzte Oberste Sanitätsrat hatte sich am 24. Juni 2017 konstituiert, damals war Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) Gesundheitsministerin. Das Gremium berät den Gesundheitsminister bei grundsätzlichen medizinischen Fragestellungen und gibt Empfehlungen ab.  Zu seinem Präsidenten wurde Markus Müller gewählt, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Med-Uni Wien im AKH Wien, der auch im seinerzeitigen Gremium den Vorsitz hatte.