Im Vorzimmer von Rudolf Anschober schaut der Babyelefant von einem Kasten runter. Auf seinem Rüssel wellt sich das Papier, weil es eilig vor einer Pressekonferenz auf den Kartonaufsteller geklebt wurde. Er war der Protagonist von Fernsehspots und wurde vom Verfassungsgerichtshof als gesetzeswidrig erklärt. Er wurde zum Wort des Jahres gewählt und von Ethikern als Infantilisierung kritisiert. Er ist ein Symbol für vieles, das gut lief, in diesem letzten Jahr, das so anders war als alle davor. Und ein Symbol für vieles, das schlecht lief. Jetzt ist der Babyelefant auf einen Kasten verräumt.

Das Vorzimmer teilt sich Rudolf Anschober mit seiner Kabinettschefin Ruperta Lichtenecker. Sie leitete schon sein Büro, als er noch Landesrat in Oberösterreich war. Eine Woche nachdem die türkis-grüne Regierung angelobt wurde, hat Lichtenecker im Jänner 2020 ihren ersten Arbeitstag im Gesundheitsministerium. Sie ist darauf gefasst, sich um eine große Pflegereform und Vorsorgethemen zu kümmern. Es kommt sehr schnell sehr anders. „Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich einmal Entscheidungen über Grenzschließungen auf meinem Schreibtisch liegen habe“, sagt sie. Nach einem Jahr in der Pandemie hat Lichtenecker vor allem eines gelernt: „Es gibt immer eine Steigerungsstufe.“ Im Vergleich zu jetzt, sagt sie, war der letzte Frühling einfach.

Ruperta Lichtenecker ist die Kabinettschefin von Gesundheitsminister Rudolf Anschober. „Ich habe gelernt, dass es immer noch eine Steigerungsstufe gibt“, sagt sie.
Ruperta Lichtenecker ist die Kabinettschefin von Gesundheitsminister Rudolf Anschober. „Ich habe gelernt, dass es immer noch eine Steigerungsstufe gibt“, sagt sie. © Kleinsasser

Schon im Jänner 2020 erlässt das Gesundheitsministerium die erste Verordnung, die klarstellt, dass Covid-19 eine übertragbare Krankheit ist und daher das Epidemiegesetz zur Anwendung kommt. Das heißt auch: Ein Großteil der Entscheidungen liegt jetzt beim Gesundheitsministerium. „Ab dann ist der Arbeitsaufwand exponentiell gestiegen“, sag Meinhild Hausreither. Sie ist die Leiterin der Logistik-Abteilung und arbeitete schon 1986 im Gesundheitsministerium, als das Kernkraftwerk in Tschernobyl explodierte. „Das, womit wir jetzt konfrontiert sind, ist etwas absolut Neues“, sagt sie.

Meinhild Hausreither ist die Chef-Juristin im Gesundheitsministerium. In ihrem Büro stehen drei prall gefüllte Ornder mit Erlässen, Verordnungen und Rechtstexten des vergangenen Jahres.
Meinhild Hausreither ist die Chef-Juristin im Gesundheitsministerium. In ihrem Büro stehen drei prall gefüllte Ornder mit Erlässen, Verordnungen und Rechtstexten des vergangenen Jahres. © Kleine Zeitung/Kleinsasser

Corona ist eine Katastrophe in Zeitlupe, in der sich die Ereignisse trotzdem überschlagen. In den folgenden zwölf Monaten verfassen die Juristen im Gesundheitsministerium 129 Verordnungen, 41 Erlässe und 38 Bundesgesetze. Die Rechtsakten füllen drei dicke Ordner, die im Büro von Meinhild Hausreither stehen. Drei Juristen in ihrem Team sind im Frühling mit den Coronagesetzen befasst, im Laufe des Jahres kommt eine Expertin dazu. Verwaltungspraktikanten arbeiten ihnen zu. „Wir machen hier Turbolegistik in einem extrem kleinen Team“, sagt Hausreither, die sich nach einer Zeit sehnt, wo es bei der Gesetzgebung wieder um Qualität geht und nicht um Tempo.

Die Rechtsakte aus dem Gesundheitsministerium regeln das Leben im Land bis ins kleinste Detail: Wo man einkaufen darf, mit wem man spazieren gehen darf, wie Tische in Restaurants angeordnet werden, welcher Sport betrieben werden darf, wer sich testen lassen muss. Mit Kollegen aus dem Verfassungsdienst diskutiert Hausreither vor dem ersten Lockdown im März bis tief in die Nacht, welche Lebensbereiche von den neuen Gesetzen betroffen sind. Es sind alle, stellen die Juristen fest. Für rechtsphilosophische Fragen bleibt in den kommenden Monaten keine Zeit.

Meinhild Hausreither
Meinhild Hausreither © Kleinsasser

95 Mal wird der Verfassungsgerichtshof mit Rechtsakten aus dem Gesundheitsministerium befasst, einige Regelungen werden vom Höchstgericht für gesetzeswidrig erklärt. Der verwirrende „Oster-Erlass“ sorgt für Spott.

Manches lag an Formalitäten, manches ist missglückt. Aber noch viel mehr ist gelungen. Mit jedem Gesetz und jeder Verordnung werden wir gescheiter.