Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Freitag in einer Videogrußbotschaft zum virtuellen "Fest der Freude" anlässlich des Kriegsendes vor 75 Jahren ein "Bekenntnis zu Grund- und Freiheitsrechten, zu Rechtsstaatlichkeit, zu Demokratie und zu Solidarität" eingemahnt. Dieses bildet das Fundament "unseres Österreichs". Die Feierlichkeiten wurden coronabedingt in den virtuellen Raum verlegt.

Das "Fest der Freude" findet in diesem Jahr unter besonderen Umständen statt. Das traditionelle Gedenken am Heldenplatz war aufgrund der Pandemie nicht möglich. "Gerade in Zeiten so großer Herausforderungen ist es wichtig, an unser Österreich zu glauben", so Van der Bellen: "An seine Stärken, seine Errungenschaften und seine Fähigkeit, auch schwierige Situationen zu meistern."

Das Staatsoberhaupt würdigte in seiner Eröffnungsrede die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von damals, die die Gräuel erfahren mussten, als "Vorbilder für das Heute". Besonders erinnerte er an den kürzlich verstorbenen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani. "Ihm ist es wesentlich zu verdanken, dass die Verfolgten der NS-Militärjustiz rehabilitiert wurden", erklärte Van der Bellen. Sein Vermächtnis sei das "Deserteurs-Denkmal" auf dem Ballhausplatz. "Dort, vor der Präsidentschaftskanzlei und dem Bundeskanzleramt erinnert es daran, dass humanistische Werte das politische Handeln bestimmen müssen. Und es erinnert daran, dass es auf jeden von uns ankommt, wenn es gilt, diese Werte zu schützen", so Van der Bellen.

In der ZiB2 analysierten am Freitagabend die beiden ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel die Folgen des Weltkrieges auf die Republik Österreich:

"Fest der Freude" im Internet

"Menschlichkeit ohne Grenzen" lautete der thematische Schwerpunkt des "Festes der Freude" in diesem Jahr. "Wir müssen alle sehen, wie wichtig das Zusammenleben der Menschen ist", betonte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch in seinem Beitrag. Dabei gebe es auch keine Grenzen. Garanten dafür, dass es eigentlich überall Menschlichkeit geben sollte, seien etwa Organisationen wie die Europäische Union und die Vereinten Nationen.

Nicht nur Botschafter der Befreier-Nationen richteten wieder ihre Grüße aus, auch Margaritis Schinas, Vizepräsident der Europäischen Kommission, meldete sich zu Wort. "Wir durchleben schwierige, beispiellose Zeiten", erwähnte er die Coronakrise. Das "Fest der Freude" sei aber ein Augenblick des Feierns. 75 Jahre nach der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz sei dies auch eine Gelegenheit, der Millionen Opfer des Holocaust zu gedenken.

Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) und damit Veranstalter des Fests, betonte, dass die virtuelle Austragung zwar nicht zu vergleichen sei mit der Veranstaltung auf dem Heldenplatz. Eine Absage sei aber einfach nicht infrage gekommen. Mernyi erinnerte auch an den kürzlich verstorbenen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani, der das "Fest der Freude" immer unterstützt hatte.

Für die musikalische Begleitung sorgten die Wiener Symphoniker und Dirigent Alexander Liebreich. Sie präsentierten das "Allegretto" aus Beethovens 7. Symphonie A-Dur op. 92 im zeitgemäßen Split-Screen-Format.

Botschaften der Alliiertenvertreter

Im Laufe des Tages meldeten sich US-Präsident Donald Trump, der russische Präsident Wladimir Putin, Großbritanniens Außenminister Dominic Raab und Frankreichs Botschafter in Wien via Video zu Wort. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe sich ein Verhältnis zu Europa entwickelt, das stärker ist, als je zuvor sei, betonte Trump in seiner Video-Botschaft. Der US-Präsident erinnerte an das letzte Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die gute Beziehung zu Österreich, insbesondere im Handel. "Unsere Völker verstehen einander, wir respektieren die Nation und der Kanzler hat einen fantastischen Job gemacht", so Trump.

Auch Putin wünschte dem "freundschaftlichen österreichischen Volk Wohlergehen, Frieden und Prosperität". Man habe den Krieg weder gebraucht noch gewollt, betonte er - "Er wurde der Sowjetunion aufgezwungen". Der "große Sieg" habe die Menschheit gerettet. "Er eröffnete den Weg auch zur Wiedergeburt eines unabhängigen, dynamisch entwickelnden, demokratischen Österreichs", so Putin.

Beginn einer neuen Ära

Der 8. Mai 1945 sei im kollektiven Gedächtnis verankert, sagte Raab. Nationen hätten Millionen von Toten betrauert. "Wir werden uns immer an das Opfer und das Heldentum jener erinnern, die auf dem Schlachtfeld gefallen sind." Das Kriegsende habe auch den Beginn einer neuen Ära bedeutet. Im Namen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sprach Botschafter Francois Saint-Paul: "In einer Zeit, wo die Gesundheitskrise, die wir durchleben, neue Trennlinien in der heutigen Welt ans Licht bringen könnte, ist es umso mehr unsere Pflicht, des 8. Mai zu gedenken, die das Ende der Nazi-Barbarei und des Zweiten Weltkriegs kennzeichnet."

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mahnte eine "Kultur der Erinnerung" ein. Er wandte sich an die österreichische Bevölkerung. "Mit der vollständigen Kapitulation des Deutschen Reichs, konnte eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte geschlossen werden", sagte er. "Die Folgen dieser fürchterlichen Zeit beschäftigen uns aber bis heute. So unbeschreiblich die Grausamkeit des Nationalsozialismus war, so notwendig und wichtig sind die Lektionen, die wir aus dieser Zeit lernen müssen."

"Alles tun, dass sich die Geschichte nicht wiederholt"

Zwar könne man die Geschehnisse nicht wiedergutmachen, betonte Kurz, "aber wir müssen alles tun, dass sich die Geschichte nicht wiederholt". Daher gelte es, die Grundlagen der freien Gesellschaft zu schützen und stärken, wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Gewaltentrennung und Medienfreiheit. "Und wir müssen gemeinsam gegen alle Formen des politischen Extremismus konsequent vorgehen - noch bevor sie Fuß fassen können. Das ist unsere historische Verantwortung."

Nicht zuletzt erinnerte Kurz an die vom Naziregime ermordeten Juden. "Der Kampf gegen den Antisemitismus und Antizionismus ist Teil unserer Staatsräson geworden", betonte er. Nie wieder dürfe Judenhass im Land wieder Fuß fassen. "Die Menschen in Israel müssen wissen, dass wir in Österreich auf ihrer Seite stehen."

"Diese Geschichte kann und darf nicht vergessen werden und dieses 'Niemals Vergessen' ist uns heute ein Auftrag und für alle Zukunft", sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in seiner Ansprache. Österreich sei nicht nur Opfer gewesen, sondern trage auch Mitverantwortung.

Vertreter der Wiener Grünen und der IKG legten einen Kranz beim Denkmal der Opfer der Gestapo am Wiener Morzinplatz nieder. Ebendort hatte sich das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei der Nazis befunden. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein erinnerte daran, dass jener Tag ein neues Kapitel in Europa eingeleitet hat. "Je weiter wir uns vom ursprünglichen Anlass der Erinnerung entfernen, desto wichtiger wird es, diese Gedenktage zu begehen", sagte IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde. "Wenn die Zeitzeugen eines Tages nicht mehr sind, sind wir die Zeugen der Zeitzeugen."

Kranzniederlegung bei "Trümmerfrauen-Denkmal"

Die FPÖ legten einen Kranz beim privat errichteten "Trümmerfrauen-Denkmal" an der Mölker Bastei in Wien nieder. Parteichef Norbert Hofer sprach von einem "Zeichen des Gedenkens und der Dankbarkeit". An der Kranzniederlegung nahmen unter anderem auch Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp und Volksanwalt Walter Rosenkranz teil. "Die Trümmerfrauen haben den Grundstein für unseren heutigen Wohlstand gelegt. Man kann Ihnen gar nicht genug danken", meinte Hofer.

Anlässlich des 75. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat die Kommunistische Jugend Graz in der Nacht auf den 8. Mai am Grazer Schloßberg mit einer Aktion für Aufsehen gesorgt: Aktivisten haben gegen 21.30 Uhr vor dem Uhrturm ein 35 Meter langes Spruchband mit der Aufschrift "Nie wieder Faschismus! Erinnern heißt kämpfen!" entrollt und es mit bengalischen Feuern erleuchtet.