In der Pressestunde des ORF stellte sich am Sonntag Bundeskanzler Sebastian Kurz den Fragen der Journalisten Karin Leitner von der Tiroler Tageszeitung und ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger.

Das Coronavirus dominierte schon zu Beginn die Diskussion. Auf die Frage, warum der Bundeskanzler so häufig bei den Pressekonferenzen mit Innenminister Karl Nehammer und Gesundheitsminister Rudolf Anschuber auftritt, antwortet er mit der Dramatik der aktuellen Lage. Man müsse der Bevölkerung hier eine realistische Darstellung geben. Österreich habe alles unter Kontrolle, doch 2020 werde mit Sicherheit ein herausforderndes Jahr. Wirtschaftlich wird das an Österreich nicht vorübergehen.

Dass sich Menschen in dieser Situation Sorgen machen sei normal, sagt Kurz, nicht ohne die Lage an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei zu erwähnen. Zurück zur Coronakrise: Hier könne jeder einen Beitrag leisten, in dem man nicht gleich zum Arzt geht, sondern die Hotline anruft. Auch Reisen in betroffene Gebiete sollten vermieden werden. Wichtig sei, dass die Bevölkerung auch ein Verständnis für die Maßnahmen der Behörden haben. Derzeit gebe es schon Einschränkungen im Flugverkehr und im Austausch mit Italien. Es werde aber noch weitere Maßnahmen brauchen.

Weitere Maßnahmen

Je stärker die Ausbreitung wird, desto mehr müsse der Staat versuchen, diese einzubremsen. Derzeit gäbe es schon den Fiebertest an der Grenze zu Italien. Das Ziel sei hier ganz klar, den Grenzverkehr zwischen Österreich und Italien einzuschränken. Weitere Maßnahmen wären durchaus Schulschließungen oder das Verbot von Großveranstaltungen. Die Frage sei hier nicht nur, welche Maßnahmen es gibt, sondern auch wann diese getroffen werden.

Kurz macht aber klar, dass es weitere Maßnahmen geben werde. Österreich werde sich hier auch mit den Nachbarländern abstimmen.

Kurz kritisiert, dass Deutschland Exportbeschränkungen für medizinische Artikel erlassen hat, weil es viele Zentrallager in Deutschland gebe. Eine Lernerfahrung aus der Krise sei daher, dass man darüber diskutieren muss, manche Produktionen in Europa zu halten und auch gewisse Waren in Österreich zu lagern.

Migration

Gefragt zur aktuellen Situation an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei, hält der Kanzler daran fest, dass wieder mehrere Millionen Menschen nach Europa kommen wollen. Er verweist dabei auf die Entwicklung im Jahr 2015. Er sei froh, dass die Situation heute eine andere sei und die Grenze in Griechenland geschützt werde. Problematisch sei aber die Strategie des türkischen Präsidenten Erdogan, der Flüchtlinge politisch instrumentalisiert.

Kurz sei froh, dass Europa diesmal solidarisch handle und Griechenland bei der Kontrolle der Grenze helfe. Er verweist einmal mehr auf die Hilfe vor Ort. Österreich sende Cobra-Beamte nach Griechenland und hilft NGO vor Ort mit einer Million Euro. Außerdem hat der Kanzler angekündigt, dass die eingesammelte Hilfsgelder der ORF-Aktion für die Region Idlib von der Regierung verdoppelt werde.

Kurz hoffe, dass die Flüchtlinge nicht bis Zentraleuropa durchkommen. Allerdings sei Österreich für diese Situation vorbereitet.

Stimmung in der Koalition

Dass die Position der Grünen eine andere ist, sei für Kurz keine Überraschung. Es gäbe eine klare Position im Regierungsprogramm. "Die gilt, das weiß jeder in der Bundesregierung." Die Idee der Aufnahme von Frauen und Kindern, von Bundespräsident Van der Bellen ins Gespräch gebracht, lehnt Kurz ab. Die Menschenrechtskonvention sei hier klar, die reine Aufnahme von Frauen und Kindern sei nicht möglich. Es müssten immer die Väter mitaufgenommen werden.

Außerdem wären in den Monaten Jänner und Februar 2500 Asylanträge gestellt worden. Seit 2015 seien 200.000 Menschen aufgenommen worden. Die Zahl sei für Österreich ohnehin zu hoch. Diese müssten nun integriert werden. Er verstehe durchaus, das manche Politiker ein Symbol setzen wollten. Aber er sei ein Mann der Zahlen. In Österreich gebe es im Jahr 10.000 bis 15.000 Asylanträge. Die Neos würden zum Vergleich die Aufnahme von 500 Menschen fordern.

Kurz appelliert an die Politik, dass man vorsichtig sein sollte, mit den Signalen die man sendet. Hier sollten die Fehler des Jahres 2015 nicht wiederholt werden.

Kurz gibt allerdings auch zu, dass die Bilder ihn berühren. Auch er habe den menschlichen Reflex, den Menschen helfen zu wollen. Er berichtet von einem Gespräch mit einem Priester, der ihm geraten habe, stets darauf zu achten, welche gesellschaftliche Verantwortung man habe. Er unterstreicht auch die Kostenfrage. Mit den Kosten für die Unterbringung eines Flüchtlings in Österreich könne man 20 im Libanon oder Syrien versorgen.

Steuern und Budget

Auch wenn Kurz dem Budget nicht vorgreifen wolle: Die Regierung werde auf jeden Fall mehr Geld für einige Bereiche zur Verfügung stellen, in die Sicherheit oder Justiz. Hier soll das Geld eingesetzt werden, um die Verfahren zu beschleunigen. Auch für das Bundesheer werde es mehr Budget geben. Allerdings müsse das in einem machbaren Ausmaß geschehen. Es werde keine neuen Steuern und keine neuen Schulden geben.

Die Regierung wolle auch weiterhin die kalte Progression abschaffen, aber zuerst soll die Entlastung der kleineren Einkommen kommen.

Klar sei, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise auch im Budget noch bedacht werden müssen. Österreich brauche hier die finanziellen Mittel, um Unternehmen in dieser Phase zu unterstützen, um die Mitarbeiter zu halten. Konkret nennt er Luftverkehr, Tourismus oder die Holzwirtschaft in Kärnten.

Die Steuerreform werde dem Coronavirus aber nicht zum Opfer fallen, verspricht kurz. Österreich werde trotz Corona ein stabiles Wirtschaftswachstum haben. Es gäbe aber einige Branchen, die punktuell betroffen sind. Diese müsse man unterstützen.

Situation in Italien

Die Lage in Italien beurteilt der Kanzler durchaus als Herausforderung. Man dürfe das nicht kleinreden. Ein schneller Anstieg der Ansteckungen würde das Gesundheitssystem überlasten. Er begrüßt daher die drastischen Maßnahmen der Regierung in Rom. Das sei besser, als ein Kollabieren des Gesundheitssystems in einem Nachbarland in Österreich.

Man müsse aber die Kirche im Dorf lassen. Kurz hofft, dass die Maßnahmen in Italien wirken, sich die Lage aber bald wieder normalisiert. Die wirtschaftliche Lage werde natürlich auch für die EU herausfordernd seien. Aber jetzt müsse der Fokus darauf gelegt werden, die Ausbreitung einzubremsen.

EU-Budget

Für Kurz sei es keine Tragik, dass es noch keine Einigung gebe. Es sei noch nie gelungen, ein EU-Budget auf Anhieb zustande zu bringen. Der Verhandlungsspielraum sei jetzt bei rund 1,06 Prozent des BIP. Der Vorschlag der Kommission von 1,3 Prozent wurde ja abgelehnt. Kurz sei froh darüber, das hätte Österreich pro Jahr 1,5 Milliarden Euro gekostet. Auch der Grüne Vizekanzler Werner Kogler trage diese Position inzwischen mit. Wären die 1,3 Prozent gekommen, wäre eine Steuerreform nicht möglich.

Es sei nicht überraschend, dass die Nettoempfänger mehr Budget wollen und die Nettozahler weniger. Die Linie Österreichs war auch die Male zuvor - egal unter welcher Regierung - immer, Nein zu höheren Ausgaben.

Die Zusammenarbeit mit den Grünen beurteilt Kurz als sehr fair. Die beiden Parteien hätten unterschiedliche Schwerpunkte. Es gäbe Themen, wo es unterschiedliche Meinungen gibt. Aber es gibt ein Regierungsprogramm, das jetzt abgearbeitet werde. Kurz respektiere, dass Kogler in manchen Themen andere Positionen habe. Ebenso glaube er, dass Kogler auch akzeptiere, dass er andere Positionen habe.

Sozialversicherung

Die Reform der Sozialversicherung kostet ja bekanntermaßen deutlich mehr als erwartet. Bis 2024 soll es über eine Milliarde Euro Verlust geben. Kurz verspricht, dass es dennoch keine Selbstbehalte geben werde und auch die Beiträge nicht steigen werden. Es werde mehr Geld für die Versorgung der Patienten verwendet, das bringe höhere Budgetposten. Dennoch werde in der Verwaltung mehr gespart. Die Patientenmilliarde werde es geben, ist Kurz überzeugt.

Ibiza-U-Ausschuss

Der Bundeskanzler sieht die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass es keine Einschränkungen geben werde, nicht als Niederlage der ÖVP. Kurz betont, dass man nicht immer wisse, wie der Verfassungsgerichtshof entscheiden werde. Selbst die Richter seien sich nicht immer einig. Im Gerichtshof wird ja via Mehrheitsvotum entschieden.