Ein ofenfrischer Striezel nach Mutters Rezept, eine vom Vater gepflückte Schüssel Kirschen und Gemüse aus dem Garten des elterlichen Bauernhofs im Weinviertel: In dieser idyllischen Kulisse blickte Ex-Bundeskanzler VP-Obmann Sebastian Kurz sonntagvormittags in der Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" noch einmal zurück auf die knapp 500 Tage seiner Kanzlerschaft und vor allem den spektakulären Bruch mit dem Koalitionspartner FPÖ.

Die Neuerkenntnisse? Wenige. Die Sprache? Ein Hybrid aus versucht-lockerem Plauderton und politisch-routiniertem Phrasenvokabular.

"Bist Du jetzt immer zuhause?"

Den Tag der Angelobung der Nachfolgeregierung habe er beim Wandern und Kochen mit zwei Freunden verbracht. Als seine Freundin damals heim kam, habe sie sie überrascht reagiert. "Du bist zuhause, wenn ich nach Hause komme? Bist Du jetzt immer zuhause, wenn ich nach Hause komme", erzählt er die schon mehrfach erzählte Episode. Ein rar gehaltener Blick hinter die privaten Kulissen der professionellen Politikerfassade, an der auch bei diesem Sommergespräch Fragen über Familienpläne, Ehrgeiz, Disziplin oder Machtbewusstsein abperlen.

Etwas detaillierter dann der Blick durchs berufliche Schlüsselloch. Das Motiv ist klar: Das Wahlvolk teilhaben lassen, keine Abgehobenheit suggerieren, auf Augenhöhe mit den Menschen sein, Händeschüttel- und Selfiequoten maximieren: Ziele, die auch die aktuelle (Vor-)Wahlkampftour verfolgt, die Kurz gleich nach seiner Abwahl gestartet hat.

Großspenden

In der aktuellen Debatte über gestückelt überwiesene Großspenden an seine Partei versteht Kurz die Aufregung nicht. "Es gibt immer nur Aufregung, wenn die Volkspartei unterstützt wird", zitiert Kurz den aktuellen VP-Spin, von den eigenen Konten abzulenken und auf jene der Konkurrenz zu verweisen. So habe Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Wahlkampf rund drei Millionen Euro an Spenden lukriert, ohne dass es den Vorwurf der Käuflichkeit gegeben habe. Auch die NEOS hätten vom Industriellen Hans Peter Haselsteiner über zwei Millionen Euro an Spenden bekommen, so Kurz: "Niemals gab's hier einen Vorwurf oder
eine Diskussion darüber."

"Verbittert" über die FPÖ

"Ich hätte es nicht wissen können." So Kurz' Antwort auf die - seit Veröffentlichung des Videos mehrfach - selbstgestellte Frage, ob er die im Video gezeigte Offenheit für Korruption bei seinem Regierungspartner früher erkennen hätte können. Die Brücken Richtung FPÖ scheinen eingebrochen. Zumindest zu "Teilen", wie Kurz seicht differenziert: Der Umgang "von Teilen der FPÖ" nach Bekanntwerden des Videos habe ihn "am meisten gestört", habe ihn "verbittert". Eine Wiederauflage der Koalition scheine unwahrscheinlich, weil sich "Teile der FPÖ" in eine "recht radikale" Richtung entwickeln würden: "Schauen wir, welcher Teil sich in der FPÖ durchsetzt."

Kurz über ein mögliches politisches Comeback von Strache: "Ich würde es ihm nicht raten"
Kurz über ein mögliches politisches Comeback von Strache: "Ich würde es ihm nicht raten" © APA/ROLAND SCHLAGER

In seinem Rückblick auf das Video erinnert sich Kurz an mehrfache Versuche des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache am Vortag der Veröffentlichung, ihn telefonisch zu erreichen. Er sei, so Kurz,  damals bei seiner gesundheitlich angeschlagenen, über 90-jährigen Großmutter gewesen, und habe auf das Drängen des Koalitionspartners daher erst verzögert reagiert. "Es kommt etwas Negatives in den Medien", habe ihm Strache dann in einem Vier-Augen-Gespräch angekündigt. "Er war sehr krypitsch und aufgekratzt", so Kurz. Was dann am nächsten Tag kam, habe ihn "schockiert, enttäuscht", es habe sich "unwirklich angefühlt". Mit Strache habe er seither nur ein Mal telefoniert. Was er zu einem politischen Comeback sagen würde? "Ich würde es ihm nicht raten", so Kurz Richtung Strache.

Ebenfalls wahltaktischer Grundierung entspringen wohl wohlwollende Erwähnungen von Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil - einem SP-internen Querdenker, der in regelmäßigem Konflikt mit SP-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner steht. Er habe mit ihm schon mehrmals nett "bei Kaffee und Kuchen geplaudert".

Bei dieser Frühstücksplauderei blieb der Striezel allerdings unangetastet, die Kirschen unverkostet.