Nach dem 800-Jahre-Jubiläum der Diözese Graz-Seckau blickte Bischof Wilhelm Krautwaschl im APA-Interview zufrieden auf 2018 zurück und hob die "Kraft von Weihnachten" hervor: "Gott ist nicht einer, der nur so drüberschaut und sich abhaut oder hin und wieder reinfährt, sondern Gott setzt sich uns aus und zwar in einer Form, ganz anders als sie einem Großen angedichtet wird - Stichwort Krippe."

"Für mich ist es faszinierend, was wir zu Weihnachten verkünden: Unsere Botschaft ist seit Jahrhunderten, selbst in Kriegszeiten, immer dieselbe und wirkt bei Kindern, genauso wie beispielsweise bei Häftlingen. Sie hat für unterschiedliche Leute, unterschiedliche Generationen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten wesentliche Bedeutung für die Gestaltung des Lebens. Deswegen wünsche ich mir für Österreich, dass jeder diesen Kern von Weihnachten wieder auf die Spur kommt. Ich probiere es auch und es ist etwas Schönes und ich bin mit meinen 55 Jahren nach wie vor nicht am Ende: Sehnsucht hat einen Ort, wo du sie aussprechen kannst - das ist Weihnachten."

"Haben nicht bombastisch gefeiert"

Krautwaschl zog nach dem Jubiläumsjahr Bilanz: "Es hat gut getan, dass wir nicht in den kirchlichen Räumen geblieben sind, sondern hinaus gegangen sind. Wir haben viele Kinder und Jugendliche erreicht und gemerkt: Was wir in die Gesellschaft einbringen, findet durchaus Gehör." Man habe "nicht bombastisch gefeiert", sondern sei auch zur eigenen Geschichte gestanden, "die nicht immer glorreich war". Die Diözese Graz-Seckau sehe sich im Gefüge der Welt-Kirche und das werde auch beim Stichwort Diözese Gurk-Klagenfurt bewusst: "Was in Gurk derzeit behandelt wird, hat nichts mit uns zu tun, aber es ist Kirche. Und da wird sichtbar, was Paulus schreibt: Wenn ein Glied leidet, leiden alle mit."

So rund das Jubiläum auch gelaufen ist, der Bischof war beim Thema Enttäuschungen nachdenklich: "Täuschung gibt es immer, aber das heißt nicht, dass die Welt zusammenbricht. Man kann auch froh sein, dass etwas genommen wird, weil ich etwas falsch gesehen habe. Mich zu dieser Erkenntnis durchzuringen, braucht manchmal. Ich interpretiere es als große Fragestellungen, die ich nicht letztgültig beantworten kann. Zum Beispiel frage ich mich: Was will mir der liebe Gott damit sagen, dass die Anmeldungen hin zu einem geistlichen Beruf sowohl bei Frauen wie auch bei Männern so nachlässt. Was ist ausschlaggebend dafür, dass die jungen Leute im Priesterseminar dann sagen, das ist nicht mein Weg. Das beschäftigt mich sehr. Es ist gescheit, dass sie draufkommen, aber im Herbst sind wieder zwei aus dem Priesterseminar ausgetreten. Ich habe ihnen geschrieben und ich hoffe sie rühren sich: Ich will hineinhören, was ist es, was sie zu dieser Entscheidung kommen ließ. Sie müssen mir helfen, den Willen Gottes dahinter zu entdecken."

Missbrauchsfälle

Bischof Krautwaschl sagte, er werde nicht nur auf den Pfarrer-Mangel angesprochen, sondern natürlich auch auf Missbrauchsfälle: "Wenn ein Verdacht hereinkommt, wird er sofort an die Kommission weitergegeben, damit nicht jemand glaubt, dass da etwas gemauschelt wird." Die sofortige Behandlung sei von Rom aus gefordert: "Da ist alles auf scharf gestellt und das ist auch gut so." Er schilderte, dass er als Bischof bei solchen Fällen mehrere Rollen einnehmen muss: Dienstgeber, eine Art Bruder, aber auch Vater und Richter, wenn es zu einer kirchenrechtlichen Anklage kommt: "Wie lebt man sowas? Jeder Bischof muss seinen eigenen Weg finden und bei mir geht das sofort zum Diözesangericht, dann kann ich später auch Richter sein. Die Betroffenen erwarten sich dann aber auch Zuspruch von mir und wollen nicht fallen gelassen werden. Das ist alles andere als einfach, aber ich hoffe, dass wir es gut machen."

Seit 1. September ist die katholische Kirche in der Steiermark statt in Dekanaten in Regionen unterteilt. Der Strukturwechsel war im "Zukunftsbild" im 800-Jahre-Jubiläum beschlossen worden. Ab 1. September 2020 setzen sich die Regionen dann aus Seelsorgeräumen zusammen, Pfarrverbände sollen aufgelöst werden. Bischof Wilhelm Krautwaschl sprach von einem "Fahrplan für die nächsten Jahrzehnte".

"Unsere Sendung ist das Evangelium"

"Grundlage des Zukunftsbildes ist eine Bewusstseinsänderung, nämlich zu schauen, was ist unsere Sendung. Und die ist das Evangelium", formulierte Krautwaschl im APA-Interview. Er meinte, die "alten Machtverbindungen" seien vorbei: "Da haben wir aus so manchem, das in der Geschichte vorgefallen ist, gelernt. Das traue ich mir zu sagen. Ob wir genug gelernt haben, ist wieder eine andere Frage." Er meinte jedoch, dass manche Menschen, die wenig mit der Kirche zu tun haben, ein "Bild wie vor 40 Jahren" haben würden. Sie würden der katholischen Kirche gar nicht die Chance geben, eine Änderung zu beweisen: "Dann kommen unter Umständen wieder Fälle dazu, dass tatsächlich wieder mal das eine oder andere schief geht und dann geht das Häferl wieder über - auf gut steirisch."

Oftmals würden Pfarrgemeinderäte an ihn herantreten und den Mangel an jungen Leuten in der Kirche bedauern: "Ich sage dann: Ja wo habt ihr denn die jungen Leute und seid ihr bei ihnen dort? Wo redet ihr mit ihnen? Wir haben 90 Pfarrkindergärten und einige katholische Schulen in der Steiermark: Nutzen wir das wirklich, um da unsere Botschaft in die Gesellschaft hineintragen? Sind wir tatsächlich an den Menschen und ihrem Heil interessiert? Oder werden wir nur als eine Organisation wahrgenommen, die schaut, dass sie ihre Schäfchen ins Trockene bringt? Da hoffe ich, dass die Gleise richtig gelegt sind."

Zölibat: "Da bin ich offen, was kommen wird." 

Beim Zölibat, das gerade nach den Vorgängen in Klagenfurt wieder ein Thema war, hat Krautwaschl das Gefühl, dass Kirche von vielen entgegen den gesellschaftlichen Entwicklungen als etwas verfestigt wurde, bei dem alle Aufgaben auf den Pfarrern lasten: "Und jetzt gehen uns die Priester aus und es brennt der Hut." Man müsse nun genau hinschauen, so Krautwaschl, ob das Zölibat als "schöne Lebensform" oder als "Zulassungsbedingung" wahrgenommen werde: Sei ersteres der Fall, wäre es egal, ob das Zölibat aufgegeben werde oder nicht: "Da bin ich offen, was kommen wird." Krautwaschl ist sich allerdings sicher, dass das Zölibat weltkirchlich nicht aufzuheben ist. 60 Prozent der Mitglieder der katholischen Kirche würden im Süden leben und hätten diese Problemstellung nicht.

Die gerade in der evangelischen Kirche diskutierte Anerkennung der Ehe für Homosexuelle sieht Krautwaschl als kein Thema für die katholische Kirche: "Wir haben - entgegen den evangelischen Christen - ein fixes Verständnis von Ehe. Ob das gescheit ist, darüber kann man streiten, aber immerhin hat sich der Staat bei der Ehe damals an das Kirchliche angelehnt, also kann es nicht so schlecht gewesen sein." Für Krautwaschl ist das katholische Ehe-Verständnis etwas Schönes, aber: "Wir tun uns wahnsinnig schwer zu kommunizieren, was wir unter Ehe verstehen."