Die beiden Regierungsfraktionen ÖVP und FPÖ haben ein neues Arbeitszeitgesetz gebastelt, nachdem sich die Sozialpartner im Vorjahr vor den Neuwahlen auf keine Arbeitszeitflexibilisierung geeinigt haben. Jetzt gehen die Wogen trotz eines Abänderungsantrages rund ums Regierungsvorhaben - "freiwilliger" 12-Stunden-Tag und mögliche 60-Stunden-Woche - hoch. Wer steht wofür?

PRO

  • ÖVP und FPÖ: Die beiden Regierungsparteien haben den Gesetzestext als Initiativantrag in den Nationalrat eingebracht und um einen Abänderungsantrag mit "Freiwilligkeitsgarantie" für die elfte und zwölfte Arbeitsstunde ergänzt.
  • Der Arbeitgebersozialpartner und die Industriellen unterstützen das schwarz-blaue Vorhaben. "Ohne Flexibilität ist wirtschaftlicher Erfolg nicht mehr möglich", argumentiert etwa die IV.  Alle Befürworter argumentieren, dass 12-Stunden-Tage die Ausnahme und der generelle 8-Stunden-Tag erhalten bleibe.  Es gehe um wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Die Menschen könnten sich ihre Zeit besser einteilen als mit den bisherigen Arbeitszeitregeln. Niemand werde gezwungen, länger zu arbeiten, so FPÖ und ÖVP.
  • Wolfgang Mazal, Arbeits- und Sozialrechtler und Berater der Regierung: Er verteidigt das schwarz-blaue Vorhaben zur Arbeitszeit. Es werde sichergestellt, dass Arbeitnehmern, die es auf Basis der Freiwilligkeit ablehnen, länger zu arbeiten, keine Konsequenzen fürchten müssten, auch wenn Freiwilligkeit im Arbeitsrecht immer nur bedingt sei. Der Bedarf an 12-Stunden-Tagen sei bei vielen Unternehmen hoch. Bisher gebe es zu viele bürokratische Hürden

KONTRA:

  • SPÖ, AK, ÖGB, Liste Pilz, viele NGOs: Das Vorhaben der Regierung wird abgelehnt. Argumentiert wird mit einer Gesundheitsgefährdung und zu wenig Zeit für Familie, Sozial- und Vereinsleben. Zwölf Stunden tägliche Arbeit sollen nur erlaubt werden, wenn es im Ausgleich "längere zusammenhängende Freizeitblöcke" gibt. Die AK sieht eine geplante "radikale Anhebung der regulären Grenzen der Gesamtarbeitszeit auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich".
    Der Abänderungsantrag ändere daran nichts: "Der Arbeitgeber kann jederzeit legal Überstunden bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich anordnen. Freiwilligkeit sei in der Arbeitswelt relativ. Mitarbeiter, die verweigerten, riskierten ihre Beliebtheit, die nächste Beförderung oder gar den Job. Denn die Mitarbeiter seien künftig nicht mehr automatisch geschützt durch die 10-Stunden-Grenze täglich und die 50 Stunden-Grenze wöchentlich. 
  • Jörg Flecker, Soziologe: "Die Notwendigkeit der Novelle ist bei genauerer Betrachtung nicht zu sehen - auch nicht die ökonomische": Längere Arbeitszeiten, um Aufträge schneller abarbeiten zu können, bedeute nicht ein Mehr an Aufträgen, sondern dass ein anderes Unternehmen eben diesen Auftrag nicht bekomme. Der Wissenschafter von der Uni Wien ortet die Gefahr von Sozialdumping.
  • Gerhard Blasche, MedUni Wien: Er warnt vor einem erhöhten Unfallrisiko. Belegt sei eine Zunahme der Unfallhäufigkeit bei Industriearbeiterin ab der zehnten Stunde. Unfälle sind ebenso wie Fehler eine Folge von Müdigkeit. Zwei Zwölf-Stunden-Schichten von Altenpflegern erfordern drei Tage Erholung, erklärte der Mediziner unter Berufung auf eine Studie des Zentrums für Public Health, an der er selbst beteiligt war. 
  • Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychotherapie: Menschen, die mehr als 55 Stunden pro Woche arbeiten, haben ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko, binnen zehn Jahren an Vorhofflimmern zu erkranken, das wiederum als bedeutendste Ursache für Schlaganfälle gilt. Das ergab 2017 eine finnisch-schwedische Untersuchung. Zahlreiche Studien belegen zudem, dass die Leistungsfähigkeit ab der siebenten Stunde abnimmt und das Unfallrisiko mit der Länge des Arbeitstages steigt. "Über Daten müssen wir nicht diskutieren - wir müssen ja auch nicht darüber diskutieren, ob die Erde eine Scheibe ist", sagt Psota.
  • Martin Kocher (IHS) und Christoph Badelt (Wifo): Sie sind grundsätzlich für die Flexibilisierung, hätten jedoch eine Einigung unter Einbindung der Sozialpartner, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, für besser erachtet. 
  • Martin Risak, Arbeits- und Sozialrechtler an der Uni Wien: Er macht darauf aufmerksam, dass das selbstbestimmte Gleiten in vielen Betrieben ein Mythos sei, im Gleiten oft Überstunden versteckt würden. In den meisten Gleitzeitvereinbarungen sei eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden enthalten. "Das heißt, man muss diese 10 Stunden, die in den meisten Vereinbarungen enthalten sind, durch 12 ersetzen, und das geht nicht einseitig, sondern eben nur durch Verhandlung". 
  • Johannes Gärtner, Obmann der Arbeitszeitgesellschaft XIMES: Es wurden primär Grenzen undifferenziert aufgeweicht. Innovation in der Arbeitszeit (z.B. belastungsorientierter Zeitausgleich, systematische Risikobewertung, alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung) fehlen. Bei starker Nutzung könnten auch betriebswirtschaftlich beträchtliche Risken und Nachteile entstehen. Bei belastender oder risikoreicher Arbeit, langer Anfahrt, Betreuungspflichten sind erhebliche Gesundheitsrisken und Unfälle zu erwarten.

JA, ABER:

  • Die Neos: Sie sind für eine Arbeitszeitflexibilisierung. Das Vorgehen von ÖVP und FPÖ goutieren die NEOS aber nicht. Die Debatte laufe wegen der Vorgehensweise der Regierung aus dem Ruder: Die "Dampfwalzenpolitik" entziehe das Vertrauen der Öffentlichkeit in der Thematik, die auch den NEOS eigentlich ein Anliegen sei.