Nach mehr als 42 Jahren Teilung schienen die griechischen- und türkischen Zyprioten einer Einigung ein ganzes Stück näher gekommen zu sein. Doch wie schon so oft in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die UN und die Verhandlungspartner erneut die Zähne an dieser Frage ausgebissen.

Am frühen Dienstagmorgen zerbrach die mühsam aufgebaute Treppe, die zur Lösung der Frage hätte führen sollen. Grund? Streitigkeiten rund um das Thema wie viel Land an die griechischen Zyprioten im Falle einer Lösung zurückgegeben werden soll, damit möglichst viele griechische Zyprioten unter eigener Verwaltung in ihre Häuser zurückkehren können.

"Ratlosigkeit ohne Ende"

Nun sollen die beiden Volksgruppenführer, der griechische Zyprioten Nikos Anastasiades und der türkische Zyprioten Mustafa Akinci nach Hause zurückkehren und dort sehen wie es weitergehen soll, teilte ein UN-Sprecher mit. "Sprich: Ratlosigkeit ohne Ende", sagte ein Diplomat, der an den Verhandlungen teilnahm, am frühen Dienstagmorgen.

Ziel war Föderation

Angestrebt wurde eine Föderation aus zwei Bundesstaaten, ein griechisch-zypriotischer im Süden und ein türkisch-zypriotischer im Norden der drittgrößten Mittelmeerinsel. Die zypriotischen Volksgruppenführer verhandelten im schweizerischen Mont Pelerin, seit Monatsbeginn schon sieben Tage lang. Vorangegangen waren Monate zäher Vorgespräche.

Innere Grenze war Fallstrick

Im Mittelpunkt stand das heikle Thema der innerzypriotischen Grenzen. Also die Grenze zwischen den beiden Bundesstaaten, die im Falle einer Einigung die Bundesrepublik Zypern bilden sollen. Viele Beobachter hatten bereits im Vorfeld dieser intensiven Verhandlungsrunde davor gewarnt; Gefahren lauern: Nach wie vor gab es auf beiden Seiten unterschiedliche Vorstellungen, die auch in der Schweiz nicht unter einen Hut zu bringen waren.

Wäre eine Lösung möglich gewesen, falls sich Akinci und Anastasiades beim "territorialen Thema" geeinigt hätten? Keineswegs, denn die türkischen Zyprioten und Ankara bestehen darauf, dass die Türkei weiterhin Garantiemacht bleibt, wie sie es seit der Gründung des Staates im Jahr 1960 war. Für die griechischen Zyprioten und Athen sind dagegen Garantiemächte ein Anachronismus. In der EU brauche man keine Garantiemächte, auch nicht in Form eines Drittstaates wie die Türkei.

Kosten als Stolperstein

Weiterer Stolperstein sind die Kosten. Eine Wiedervereinigung würde enorme Summen erfordern. 160.000 griechische und 40.000 türkische Zyprioten mussten 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention aus ihren Dörfern und Städten fliehen. Allein die Entschädigungen derjenigen, die umgesiedelt werden müssten oder nicht in ihre Häuser zurückkehren können, werden auf mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt.

Danach müsste noch eine letzte Hürde, vielleicht die schwierigste, genommen werden: Die beiden Volksgruppen müssen das ganze Lösungspaket in getrennten Volksabstimmungen billigen. Ein ähnlicher Plan, den die UN 2004 ausgearbeitet hatten, scheiterte am Nein der griechischen Zyprioten, die ihre Zweifel an der Aufrichtigkeit Ankaras hatten.

Strategisch wichtige Insel

Dabei wäre eine Lösung nicht nur im Interesse der Zyprioten: Die Republik Zypern ist nämlich eine der strategisch wichtigsten Inseln im Mittelmeer. Dort haben die Briten zwei Stützpunkte. Die EU benutzt immer wieder bei ihren Kontrollaktionen im östlichen Mittelmeer den Hafen der Insel Limassol. Zudem sind südlich der Insel reiche Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden entdeckt worden. Zypern ist zudem der natürliche geopolitische Korridor, der Israel mit Europa verbindet. Aus diesem Grund ist eine Lösung der Zypernfrage wichtig für die gesamte Region und die EU. Sie alle müssen sich jetzt weiter gedulden.