Mit Milliardensummen hat die Kapitalflucht nach Medienberichten in Griechenland einen Punkt erreicht, der die Verhängung von Kapitalverkehrskontrollen immer näher bringt. Nur eine Einigung mit den Gläubigern spätestens bis zur Sitzung der Eurogruppe am 18. Juni könne dies abwenden, meldeten Athener Zeitungen am Sonntag.

Vertreter der griechischen Regierung und die Gläubiger Athens wollten am Sonntag erneut zu Gesprächen in Brüssel zusammenkommen. Für Griechenland wird die Zeit knapp, will es mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) noch bis zum 30. Juni eine Einigung über die Auszahlung von Hilfsgeldern in Höhe von 7,2 Mrd. Euro erzielen. Andernfalls droht Athen die Staatspleite.

Laut griechischen Medienberichten hoben die Griechen allein vom 3. bis zum 5. Juni mehr als 1,2 Milliarden Euro von ihren Konten ab. Und so könnte das Szenario bei Kapital-Verkehrskontrollen laut der konservativen Zeitung "Kathimerini" aussehen: Der Zentralbankchef informiert den Regierungschef, die Banken hätten kein Geld mehr. Ministerpräsident Alexis Tsipras informiert die EU und diese genehmigen die Kontrollen (capital controls).

Ähnliche Maßnahmen wie 2013 in Zypern

Innerhalb von zwei Stunden sind alle Banken informiert. Elektronische Geldüberweisungen (internet banking) werden gestoppt. Die Geldautomaten geben nur noch einen Höchstbetrag von etwa 100 Euro pro Tag und Konto aus. Bei Panik-Reaktionen könnten Banken für einige Tage schließen.

Ähnliche Maßnahmen waren 2013 während der Finanzkrise auf Zypern verhängt worden. Damals schlossen die Banken für einige Tage. In dieser Zeit konnten die Bürger höchstens 190 Euro täglich von ihren Konten abheben. Auslandsreisende durften höchstens 1.000 Euro mit sich führen. Stufenweise wurden aber alle Kontrollen auf Zypern bis Anfang April 2015 wieder aufgehoben.

Starökonom fordert Schuldenerlass

Der US-Starökonom Kenneth Rogoff, Professor an der US-Elite-Uni Harvard, plädierte in einem Interview mit der "NZZ" am Sonntag auf die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland. Eine andere Möglichkeit sehe er nicht. Die Maßnahme habe beispielsweise auch in den 1950er- und 1969er-Jahren funktioniert, als verschiedene europäische Länder darauf zurückgriffen.

Zudem fordert er einen weiteren Schuldenerlass für Griechenland: Wenn Griechenland eine realistische Chance haben solle, seinen Haushalt in den Griff zu bekommen, müssten die Schulden unter 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts gesenkt werden. Das sei bei dem Schuldenschnitt 2012 nicht gemacht worden. Damals verzichteten die damals noch überwiegend privaten Gläubiger Griechenlands auf die Rückzahlung von rund 100 Mrd. Euro. Die EU-Kommission erwartet für das laufende Jahr für Griechenland eine Rekord-Schuldenstandsquote von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung.