So, der Feind ist erkannt, jetzt startet der Abwehrkampf." Mit diesen Worten teilte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser der Öffentlichkeit via Facebook mit, sie sei an Unterleibskrebs erkrankt.

Oberhausers öffentlicher Umgang mit der schweren Erkrankung ist nicht selbstverständlich. Viele Jahre war es in der Politik üblich, keine Schwäche zu zeigen. Politiker, die sich über teure Werbeagenturen als "Macher" inszenierten, mussten "funktionieren, gesund und energisch wirken", so Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Auch altgediente Journalisten wissen von Politikern, die wochenlang ausfielen. Zuerst wurde offiziell verheimlicht und geleugnet. Später wurde man unter vier Augen bekniet, ja nichts zu schreiben, das sei "Privatsache" und man müsse "auf die Familie Rücksicht nehmen". Gestanden wurde erst, wenn es sich nicht mehr verheimlichen ließ, man denke etwa an den damaligen Vizekanzler Alois Mock. Oder an die erste Erkrankung von Bundespräsident Thomas Klestil.

Vieles wäre heute nicht mehr möglich: "Weil Kommunikation heute ganz anders funktioniert", sagt Heidi Glück, Politikberaterin und langjährige Sprecherin von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. "Viele Dinge sind heute nicht mehr steuerbar, in den sozialen Medien wird alles verbreitet, es gibt auch kaum noch Tabus." Also gebe es nur eine Entscheidung: "Entweder kann ich die Kommunikation selbst steuern oder ich kann nur mehr reagieren." Genau aus diesem Grund habe Oberhauser auch völlig richtig gehandelt, so Glück.

Aufgrund der genannten Fakten ist in demokratischen Ländern ein Gesinnungswandel vollzogen worden, "mit der Unsitte des Verheimlichens wurde aufgeräumt", erklärt der Politologe Peter Filzmaier. Mussten Politiker früher als Volkstribunen auftreten, ist heute anderes gefragt: "Ganz banal gesagt: Politiker sind auch nur Menschen", sagt Filzmaier. Der offene Umgang mit Krankheit sei politisch sogar ein Vorteil. Vor allem, weil es Politiker menschlich erscheinen lässt: Plötzlich ist er nicht mehr der abgehobene Politiker, sondern "ein Mensch, der meine Sorgen, Nöte und Ängste" kennt.

Konkrete Zahlen aus jüngster Zeit, um diese These zu belegen, hat OGM-Chef Bachmayer: Die inzwischen verstorbene Barbara Prammer hatte als Nationalratspräsidentin sehr gute Persönlichkeitswerte. Nachdem sie ihre schwere Erkrankung öffentlich gemacht hatte, "stiegen diese Werte weiter an". Und Bachmayer hat ein weiteres Beispiel: Rudi Anschober, grüner Landesrat in Oberösterreich. Vor Jahren ging dieser an die Öffentlichkeit und erklärte, er werde ein halbes Jahr Auszeit nehmen - Burn-out.

Nicht wenige seiner politischen Gegner frohlockten - freilich hinter vorgehaltener Hand -: Jetzt ist er weg, der kommt nie wieder hoch. Das Gegenteil war der Fall: Als Anschober zurückkam, stiegen seine Persönlichkeitswerte in Umfragen deutlich an. "Er hat die Krankheit besiegt, das zeigt Stärke", so Bachmayer.

Das, so Filzmaier, gelte nur eingeschränkt, also nur für "normale Zeiten". Im direkten Wahlkampf, also in den letzten Wochen vor einer Wahl, hätte eine ernsthafte Erkrankung wohl negative Auswirkungen: Ist er wohl gesund genug, um in den nächsten Jahren das umzusetzen, was ich mir durch seine Wahl erwarte?, lautet dann die implizite Frage für die Wähler. Darauf eine eindeutige Antwort zu geben, wäre laut Filzmaier ziemlich spekulativ.