In Österreich gehen nicht nur FPÖ und BZÖ, sondern auch die Regierungsparteien auf Distanz zur EU. Beunruhigt Sie das?
DANIEL COHN-BENDIT: Ich finde das grundsätzlich falsch. Im Wahlkampf müssen zwei Dinge passieren. Zum einen muss man die Gründe aufzählen, warum es Europa gibt, welchen zivilisatorischen Fortschritt uns die EU gebracht hat. Wir müssen die Emotionalität, die man mit Europa verbindet, wieder rausholen. Wenn uns das gelingt, können wir über die Politiken der EU diskutieren und manche in Frage stellen.

Mit der Vergangenheit argumentieren?
COHN-BENDIT: Man muss sagen, was wir von Europa haben. Wir haben das Friedensprojekt durchgesetzt, und jetzt brauchen wir eine demokratische Verfassung sowie die ökologische und soziale Transformation von Europa. Das können wir nur machen, wenn wir emotional, mit beiden Beinen und mit dem Herzen auf dem Boden Europas stehen.

Trägt nicht auch Brüssel Mitschuld an der Entfremdung?
COHN-BENDIT: Gegenfrage: Trägt Wien mit dieser furchtbaren Politik, mit dem Wischiwaschi der großen Koalition, wo die Leute nicht mehr wissen, wo oben und unten, links, rechts ist, nicht dazu bei, dass man Österreich in Frage stellt? Nein, im Gegenteil, das entwickelt immer mehr Nationalismus. Wir müssen sagen: Wir haben 500 Jahre gebraucht, um den Nationalismus zu überwinden...

...aber kann man mit dem Blick zurück die Leute für den 7. Juni motivieren?
COHN-BENDIT: Immer diese Frage: Kann man? Soll man? Darf man? Man muss es machen. Sonst kann man am Ende gar nichts machen. Dann hören wir lieber auf, Politik zu machen und schauen uns beide lieber Fußballspiele an.

Was steht bei den EU-Wahlen auf dem Spiel?
COHN-BENDIT: Die Notwendigkeit der ökologischen und sozialen Transformation, damit verbunden die Notwendigkeit eines sozialen Schutzschildes. Wir brauchen das, damit die Menschen, die die Arbeit verlieren, einen existenzsicherenden Lohn erhalten. Zum Zweiten müssen wir das EU-Parlament stärken, um die nationalen Egoismen zu überwinden. Es sind die nationalen Egoismen mit ihren Rattenfängern, die den Fortschritt verhindern.