Wenn man den "Heilsbringer" Barack Obama nach seinen ersten Monaten im Amt mit einer einzigen Geste beschreiben müsste, es wäre wohl die ausgestreckte Hand. Einen guten Start hat er zweifellos hingelegt, obwohl er an nahezu unerreichbaren Erwartungen gemessen wird. Der vielgepriesene "Messias" ist zumindest in der Rolle des Propheten Realität geworden.

Guantanamo wird geschlossen, das Gesundheitswesen reformiert, die atomare Abrüstung beschlossen, über Kuba wird zumindest wieder gesprochen, Energiepolitik wird endlich Wirklichkeit und der Krieg im Irak soll ein Ende nehmen: Das rasante Tempo des charismatischen Präsidenten ist beeindruckend. Doch im Schatten der Erfolge wächst zumindest in den USA ein messbarer Widerstand.

Es sind Szenen wie im Wahlkampf. Obama steht in den letzten Wochen wieder vor randvollen Turn- und Mehrzweckhallen irgendwo inmitten der USA. Er hört zu, tröstet und verbreitet Hoffnung. Eine Frau steht vor ihm, klagt über ihr in der Krise verlorenes Haus und bricht in Tränen aus. Obama umarmt, gibt einen Kuss und spendet Trost. Er sucht Zustimmung bei seinem größten Verbündeten – dem Volk. CNN schrieb unlängst, der erste schwarze Präsident sei auch der erste, der selbst im Amt noch Wahlkampf führt. Grund dafür: In Washington hat sich Obama nicht nur Freunde gemacht. Gerade die Republikaner proben den Aufstand und legen sich wie trotzige Kinder bei jedem Vorhaben quer. Kontraproduktivität als politischer Standpunkt.

In einem Punkt gescheitert. Es ist zugleich das einzige Vorhaben Obamas, welches bereits nach den ersten 100 Tagen gescheitert ist: Die Überparteilichkeit. Freilich, den Demokraten trifft die geringste Schuld. Der als Zeichen der Gemeinsamkeit gewählte republikanische Handelsminister trat bereits nach wenigen Tagen zurück, zu groß seien die Differenzen, doch zu klein ist vor allem der Wille der Republikaner. Obama konnte seine Enttäuschung über Tage hinweg kaum verbergen, stotterte bei Pressekonferenzen und wirkte verzweifelt. Erst die "Europa-Tour" des Präsidenten brachte ihm wieder positive Schlagzeilen ein, weltweit. Indes brodelte es im Heimatland erstmals auch in der eigenen Partei: Zu weich sei das Auftreten, Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, wünschte sich ein "selbstbewussteres Auftreten" von ihrem Anführer.

Kampfeslust. Kein Wunder, wenn man den Blick auf die Republikaner richtet. Selten wurden sie so gedemütigt, die Umfragewerte sind im Keller und die Kampfparolen werden lauter – die ungewohnte Rolle der Minderheit gibt zu knabbern. Schon das Banken-Rettungspaket zerrissen sie in der Luft und lediglich drei Republikaner stimmten im Senat dafür. Selbst jene drei werden vom neuen Chef der Republikaner, Michael Steele, als "Betriebsunfall" angesehen. Er war es auch, der die Parole zum bedingungslosen Widerstand gegen die Demokraten ausgab: "Wer nicht mitmacht, über den trampeln wir hinweg".

Kritik von links. Auch das liberale Amerika, das sein Glück nach der Wahl kaum fassen konnte, übt erstmals leise Kritik an Obama. Als dieser verkündete, die folternden CIA-Agenten nicht rechtlich zu verfolgen, nannten sie ihr Idol ein "Weichei". Doch es sind die Poesie und Ideologie, die Obama auch im Amt nicht aufgeben will: Nicht jene Agenten seien die Wurzel des Übels, sonder die damaligen Befehlsgeber, die aber ohnedies in rechtlicher Unantastbarkeit leben. Was ein symbolischer Brückenschlag in die neue demokratische Gegenwart werden sollte, nahm man Obama jetzt übel. Amerikas Linke wollen Schuldige sehen, acht Jahre Bush sitzen auch nach 100 Tagen noch in den Knochen.

Obamas Offensive des Lächels wird wohl bald ein Ende nehmen. Auch er wird den republikanischen Sabotageakten bald überdrüssig sein und seine Annäherungen einstellen, wie es schon zahlreiche Präsidenten vor ihm taten. Auch auf weltpolitischer Ebene wird er einen neuen Ton anschlagen, sei es mit Militäroffensiven in Afghanistan oder harten Gesprächen mit dem Iran oder Israel. Über allem schwebt aber weiterhin die Wirtschaftskrise wie eine riesige dunkle Wolke. Um dem befürchtet Regenguss zu entgehen, wird Obama noch so manchen harten Einschnitt vornehmen müssen. Doch er scheint rückversichert zu sein, das Volk steht nahezu geschlossen hinter ihm, auch für die Zeit nach der Krise werden bereits jetzt die wirtschafts- und energiepolitischen Weichen gestellt. Obamas Handlungen sind in erster Linie Investitionen in die Zukunft, deren Früchte man erst in ein paar Jahren ernten wird - womöglich genau rechtzeitig zur nächsten Wahl.