Nichts ist so heftig, als dass es nicht noch viel schlimmer kommen könnte. Eine Erfahrung, die Tschechiens (Ex-) Ministerpräsident Mirek Topolanek in den letzten zwei Jahren seit Anbeginn seiner grün-konservativen Regierung zur Genüge gemacht hat. Wackelige Mehrheiten bescherten ihm stets einen schweren Stand im Parlament, doch wusste er selbst seine schärfsten Kritiker mit seiner stoischen Ruhe und scheinbaren Unantastbarkeit in den Wahnsinn zu treiben. Ein Respekt unter Feinden, wie er und der unehrenwerten Tagespolitik selten geworden ist.

Doch alles Reden half nichts mehr. Gerade jetzt, zur Halbzeit der EU-Ratspräsidentschaft, zwang ihn die Opposition doch noch zum Rücktritt. Per Vertrauensentzug wurde Topolanek Opfer eines Parteienkrieges, der die Entwicklung des Landes seit Jahren blockiert und selbst unumgängliche Reformen stets vernachlässigt. Auch die EU-Ratspräsidentschaft steht im Schatten der Zerrissenheit im eigenen Land, im EU-Parlament in Brüssel geistern seit Wochen Worte wie "Totalausfall" durch die Hallen. Noch am Dienstag versuchte Topolanek mit einer flammenden Rede, die Abtrünnigen Parlamentarier der eigenen Koalition von dem Schulterschluss mit der Opposition abzubringen - doch diesmal half dem gewandten Retoriker alles Reden nichts mehr. Nur 96 Abgeordnete stimmten gegen den mittlerweile fünften Misstrauensantrag - 101 dafür.

Italienische Verhältnisse. Damit übernimmt in Tschechien nun die Fraktion des sozialdemokratischen Oppositionsführers Jiri Paroubek das Ruder. Zu befürchten ist jedoch, dass der Machtwechsel in der Praxis ohne Wirkung bleiben wird, denn die Machtverhältnisse im Parlament bleiben schließlich die gleichen. Es waren lediglich vier "Überläufer", die zum Sturz der Koalition führten - ein schwaches Fundament für eine stabile Regierung. Selbst in der Debatte rund um den Mistrauensantrag wurden bereits verschiedene Richtungen innerhalb der Opposition sichtbar, so will die kommunistische Fraktion etwa mit einer "Einheitsregierung" die Wirtschaftskrise überstehen. Nur zum Sturz Topoloaneks zog man an einem Strang.

Sorge in Brüssel. Die EU selbst reagierte nach außen relativ gelassen auf den Sturz der Regierung. Man vertraue fest auf die tschechische Verfassung, die eine Fortführung der Ratspräsidentschaft ohne Einschränkungen möglich mache. Jedoch dürfte die Sorge in Wahrheit weit größer sein, was die Ratifizierung des EU-Vertags von Lissabon betrifft: Topolanek gilt zwar als Verfechter des Vertrags, seine Partei allerdings weniger. Durch den Sturz der Regierung ist das wichtigste Druckmittel auf die eigenen Reihen verloren gegangen, was vor allem den EU-kritischen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus freuen dürfte. Paroubek selbst "erlaubt" dem gestürzten Topolanek, bis zum Ende der Präsidentschaft im Amt zu bleiben um der EU keinen Schaden zuzuführen. Danach, spätestens im Herbst, soll und wird gewählt werden. Das Parteien-Chaos in Tschechien wird aber ohnehin anhalten.