Knalleffekt in Prag: Während Tschechien gerade einmal die Halbzeit seiner EU-Ratspräsidentschaft hinter sich hat und die Wirtschaftskrise voranschreitet, ist die tschechische Regierung unter Premierminister Mirek Topolanek gestürzt worden.

Genug Stimmen. Angeführt von den oppositionellen Sozialdemokraten sprach am Dienstag eine Mehrheit im Parlament der Dreier-Koalition aus Konservativen (ODS), Christdemokraten und Grünen das Misstrauen aus. Auch zwei Rebellen von Topolaneks ODS und zwei von den Grünen ausgeschlossene Abgeordnete stimmten mit der Opposition.

Fünfter Misstrauensantrag. Es war bereits der fünfte Misstrauensantrag gegen Topolanek, vier frühere hat er nach großem Zittern knapp überstanden. Hintergrund der Entscheidung waren Korruptionsvorwürfe und ein Streit um die Wirtschaftspolitik. EU-Parlamentarier sprachen nach der Abstimmung von einem "gesamteuropäischen Schaden".

"Sehr unangenehm". Regierungsvertreter in Prag bemühten sich dagegen zu beruhigen: "Die Sache ist sehr unangenehm, aber sie wird keine Auswirkungen auf die Arbeit der Präsidentschaft haben", erklärte Martin Tlapa, stellvertretender Industrieminister, gegenüber der Kleinen Zeitung.

Neuwahlen im Herbst. Tatsächlich hatte Oppositionsführer Jiri Paroubek selbst vorgeschlagen, die Regierung solle bis Ende des tschechischen EU-Vorsitzes im Juni im Amt bleiben und ihre europäischen Aufgaben zu Ende führen. Neuwahlen solle es dann erst im Herbst geben. Der Ball liegt jetzt bei Präsident Vaclav Klaus.

Verantwortungslos. Topolaneks ODS-Partei warf den Sozialdemokraten verantwortungsloses Verhalten vor. Tatsache ist aber, dass Paroubek die Regierung alleine gar nicht hätte stürzen können. Die dafür notwendige Mehrheit im Parlament brachte er mit den Stimmen der Überläufer von ODS und Grünen zusammen. Die Regierung stolperte letztendlich über die eigene Zerstrittenheit. Zu erwarten ist, dass sich nun die noch ausständige Ratifizierung des Lissabon-Vertrages durch den tschechischen Senat weiter verzögern wird.