Sie sind Jurist, kein Finanzmann. Was qualifiziert Sie für das Amt?
REINHOLD LOPATKA: Man muss Verständnis mitbringen für die gesamte Breite der Politik. Da bringe ich Erfahrungen - auch im Bereich Finanzpolitik - aus meiner früheren Tätigkeit als Klubobmann im Landtag und als ÖVP-Generalsekretär mit. Wichtig ist, dass man ein klares Bild hat, wo Österreich am Ende der Legislaturperiode steht.

Kann man das, wo heute angesichts der Rezession keiner weiß, wie tief wir noch fallen werden?
LOPATKA: Wichtig ist das Bekenntnis zur Haushaltsdisziplin. Bis hin zur Industrie ist der Ruf nach dem Staat laut geworden. Es findet ein Paradigmenwechsel statt. Wir müssen aber die Balance beibehalten. Nur auf den Staat zu bauen ist genauso falsch wie ausschließlich auf "mehr privat, weniger Staat".

So tönt es aus der SPÖ?
LOPATKA: Ich kenne viele im ÖAAB, die genauso denken.

Unter Schüssel war es anders.
LOPATKA: Vor der Ära Schüssel hatten wir eindeutig einen Nachholbedarf, denn bis in die achtziger Jahre dominierte die verstaatlichte Industrie. Die Verstaatlichung haben wir teuer bezahlt. Denken Sie an die Zehntausenden Arbeitsplätze, die verloren gegangen sind, an die Milliarden, die verpufft sind. Hätten wir die AUA einige Jahre früher privatisiert, hätten sich die Steuerzahler 500 Millionen Euro erspart.

Ist die Drei-Prozent-Grenze beim Defizit ein Heiligtum?
LOPATKA: Das hat niemand behauptet, aber eine richtige Festlegung ist es allemal. Man muss wissen, was höheres Defizit bedeutet. Es heißt immer, wir müssen Geld in die Hand nehmen, um die Zukunft abzusichern. Schauen Sie sich die Schulden an: Wir geben heute mehr für den Zinsendienst (7,6 Milliarden Euro) mehr aus als für die Bildungspolitik.