Herr Minister, vor ein paar Monaten sagten Sie noch, Sie seien gerne Verkehrsminister und hätten keine Ambitionen aufs Kanzleramt. Übermorgen werden Sie angelobt. Sind Sie ein Bundeskanzler wider Willen?
WERNER FAYMANN: Nein. Ich war auch kein Verkehrsminister wider Willen, obwohl ich gern vorher Wohnbaustadtrat war. Alles, was ich bisher machen durfte, habe ich als Privileg empfunden. Es ist zwar nicht so, dass mir jeder Tag, jedes Gespräch, jedes Problem große Freude bereitet. Aber die Tätigkeit hat mir immer gefallen. Ich bin auch stets von der Bevölkerung gut behandelt worden. Ich hoffe, dass ich die Interessen der Menschen immer ordentlich umgesetzt habe. Ich zähle mich zu den zufriedenen Politikern.

Es gibt Politiker, von denen behauptet wird, sie hätten schon in der Sandkiste vom Kanzleramt geträumt oder in jungen Jahren am Zaun des Kanzleramts gerüttelt. Wie war das bei Ihnen?
FAYMANN: Ich war als Kind sehr sportlich. Ich stand schon mit dreieinhalb Jahren auf Ski. Mein großes Vorbild war Slalomläufer Alfred Matt, mit seinen schwarzen Haaren, wie er immer so fetzig hinuntergefahren ist. Erst im Gymnasium begann ich mich vom Sport abzuwenden. Ich war in der ersten Klasse bereits Klassensprecher.

Da begann Ihre politische Sozialisierung. Aber war nicht Franz Klammer damals der große Star?
FAYMANN: Abfahrt war mir zu gefährlich mit den Eishängen.

Slalom - entspricht das nicht Ihrem Naturell? Sie gelten politisch als besonders wendig.
FAYMANN: Auch beim Slalom sollte man, wenn man wegfährt, bereits wissen, wo das Ziel ist und wo man genau hin will. Damals war es schmerzhafter, es gab keine Kippstangen.

Bei den Kippstangen holte man sich auch blaue Flecken, wenn man ordentlich ranfährt. Angesichts des konjunkturellen Einbruchs kommen Sie als Bundeskanzler gleich ordentlich dran. Auf eine Schonfrist dürfen Sie nicht setzen.
FAYMANN: Vom ersten Arbeitstag lautet unser Hauptthema: Wie verhindern wir Arbeitslosigkeit? Ein Drittel der Maßnahmen können von Österreich auch gestaltet werden, zwei Drittel sind weltweit konjunkturbedingt international. Ich bin kein Freuend von Hüftschüssen. Das hat immer den Nachteil, dass man sich entschuldigen muss, wenn man auf einen zusätzlichen Aspekt draufkommt. Jetzt geht es in einem ersten Schritt darum, unser Konjunkturpaket und die Steuerreform zeitgerecht umzusetzen.

Wie hart wird der Aufprall in den nächsten Wochen und Monaten für uns Österreicher werden?
FAYMANN: Kein Politiker weltweit kann heute sagen, wie weit die Spirale nach unten geht. Wir stehen vor einer Gratwanderung. Politiker, die das Problem verniedlichen, sind Schönredner. Ein Politiker darf aber auch nicht in Panikmache verfallen. Eine Regierung muss auch Zuversicht versprühen. Wenn die Menschen in Panik geraten, das Geld abheben, überhaupt nichts mehr kaufen oder investieren, wäre die Krise unabsehbar. Der Grat ist schmal zwischen Optimismus und dem Schönreden.

Viele Unternehmen klagen, dass sie von den Banken keine Kredite erhalten, weil offenbar der Schutzschirm, den die Regierung über den Banken ausgespannt hat, noch nicht greift.
FAYMANN: Die Maßnahmen werden gerade von der EU-Kommission geprüft, wir erwarten eine Antwort in naher Zukunft. Abgesehen davon schlägt derzeit das Pendel in eine andere Richtung aus. Bisher bekamen viele Unternehmen Kredite ohne große Sicherheiten. Jetzt verlangen Banken Sicherheiten, die Unternehmen oft nicht bieten können.

Viele Bürger verstehen nicht so recht, warum der Staat gerade den Banken unter die Arme greift.
FAYMANN: Beim Bankenschirm gibt es leider viele Missverständnisse. Es geht um Haftungen, nicht um Subventionen. Außerdem müssen die Banken dafür zahlen - und das gar nicht so wenig. Die Gefahr der Finanzkrise war nie, dass Banken zusperren, aber sonst alles wie geschmiert läuft. Die Finanzkrise schlägt voll auf Wirtschaft durch. Wer sagt, helft einmal den Arbeitsplätzen und nicht den Banken, hat die Zusammenhange nicht verstanden. Es würde niemand einen solche Schirme aufspannen, wenn es keinen Zusammenhang mit Betrieben und Arbeitsplätzen gebe.

Wird die Regierung noch weitergehende Maßnahmen setzen?
FAYMANN: Ich verfolge sehr genau die Debatte in den USA. Dort wird nicht mehr darüber diskutiert, ob der Staat Schirme spannt, sondern ob der Staat protektionistisch in die Wirtschaft eingreift. Hier betreten die Amerikaner Neuland. Ich bin von der Industrie bisher noch nicht mit vergleichbaren Vorschlägen konfrontiert worden. Hier in Europa läuft die Debatte eher konservativ ab. Es gibt andererseits auch Wirtschaftsforscher, die meinen, die Maßnahmen werden rasch greifen, und Ende nächsten Jahres kommt der Aufschwung.