Als Annemarie W. im Sommer 2002 ihren Sohn bekam, wollte sie ohnehin nicht lange in Karenz gehen. Nach dem Mutterschutz bezog die Angestellte knapp vier Monate Kindergeld. Daneben arbeite sie weiter - zuviel, wie die niederösterreichische Gebietskrankenkasse befand. W. hatte die Zuverdienstgrenze überschritten und sollte 1729 Euro Kindergeld zurück zahlen. Annemarie W. wollte das nicht einsehen und zog den Fall bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) durch. Dieser hat nun einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof eingeleitet, berichtet der "Standard", denn: Die Art, wie der Zuverdient berechnet wird, sei zu kompliziert und bevorzuge Selbstständige. Durch Überstunden und Gehaltserhöhungen unterm Jahr, liefen Eltern Gefahr, unabsichtlich darüber zu rutschen.

Weg mit der Grenze. Die einflussreichsten Familienpolitikerinnen von FPÖ, BZÖ und Grünen wollen nicht so lange abwarten und fordern im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: Gleich ganz weg mit der Grenze! Die Freiheitliche Barbara Rosenkranz sagt: "Es ist Sache der Eltern, wie sie das Kindergeld verwenden: ob ein Elternteil zu Hause bleibt oder ob sie damit Kinderbetreuung bezahlen." Ursula Haubner vom BZÖ findet die Zuverdienstgrenze "unsozial, bürokratisch, vom Verwaltungsaufwand her zu teuer" und will das Kindergeld als "vom Einkommen gänzlich entkoppeln". Die neue Grünen-Chefin Eva Glawischnig, hat einen anderen Zugang zum Thema, ihre Schlussfolgerung ist aber ähnlich: Beim derzeitigen Kindergeld-System sei eine Zuverdienstgrenze nicht praktikabel. Glawischnig meint: "Das wurde von Anfang an verbockt."

Unklarheiten. Schwarz-Blau ersetzte das Karenzgeld mit Jänner 2002 durch ein Kindergeld für alle. Dazu durfte man pro Jahr maximal 14.200 Euro verdienen. Wer über dieser Grenze lag, und waren es nur 100 Euro mehr, musste das gesamte Kindergeld zurückzahlen. FPÖ-Sozialminister Herbert Haupt verbot den Behörden 2004 per Weisung, die Einhaltung der Regelung zu überprüfen ohne freilich das Gesetz zu ändern. Trotzdem nahmen es viele Eltern darauf hin nicht mehr so genau. Bis 2006 Andrea Kdolsky, als ÖVP-Familienministerin mittlerweile dafür zuständig, die Jungfamilien nachträglich kontrollieren ließ. Annemarie W. war nur eine von Hunderten, denen plötzlich ein Rückforderungsbescheid ins Haus flatterte.

SPÖ will Zeitgrenze. Rot-Schwarz hat die Grenze mittlerweile auf 16.200 Euro hinauf gesetzt. Überschreitet man sie, muss nun nur mehr der entsprechende Teil des Kindergeldes zurückgezahlt werden, nicht mehr die ganze im betreffenden Jahr bezogene Summe. In einem Punkt konnte sich Doris Bures, bis zum Sommer Frauenministerin, nun SPÖ-Bundesgeschäftsführerin nicht gegen die ÖVP durchsetzen: Sie will, dass der Zuverdient nicht nur mit Geld bemessen werden kann, sondern auch mit Zeit. Bures hofft: "Durch die OGH-Entscheidung hat die breite Front, die diese Zuverdienstregelung nicht will, Rückenwind bekommen."