Warum Schwarz-Rot kommt
1. Die Angst vor der eigenen Courage. Große Koalitionen kündigen in der Regel große Reformen an, die dann aber meist kleiner ausfallen. Die Staatsreform ist schon ein heißer Kandidat. Eine rot-schwarze Koalition muss auf sämtliche Einzelinteressen in den Parteien Rücksicht nehmen - Länder, Sozialpartner, Teilorganisationen. Damit ist die Fantasie zur Veränderung enden wollend. Es gibt keine Zweidrittelmehrheit mehr, die für Verfassungsänderungen notwendig ist, und mit der Opposition hat auch noch niemand geredet.

2. Mächtige Fürsprecher im Hintergrund. Faymann und Pröll haben mächtige großkoalitionäre Fürsprecher hinter sich: der SPÖ-Chef Wiens Bürgermeister Michael Häupl, den Gewerkschaftsflügel, aber auch Bundespräsident Heinz Fischer, der designierte ÖVP-Bundesparteiobmann seinen Onkel, den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, den Wirtschafts- und den Bauernbund sowie die einflussreiche Raiffeisengruppe. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rückendeckung durch die Kronen Zeitung.

3. Es mangelt an Optionen. Es gibt - leider - keine echte Alternative zu einer großen Koalition. Eine Minderheitsregierung ist ein riskantes Experiment, ansonsten gehen sich nur noch Dreierkoalitionen aus. Dass FPÖ und BZÖ bzw. BZÖ und Grüne gemeinsame Sache machen, ist mathematisch möglich, politisch aber kaum vorstellbar. Für eine Minderheitsregierung oder eine exotische Dreierkoalition ist in Österreich - leider - die Zeit einfach noch nicht reif.

4. Scharfer konjunktureller Gegenwind. Angesichts der Finanz- und Bankenkrise ist die Bildung einer großen Koalition durchaus sinnvoll. Noch dazu steht auch den Österreichern in den kommenden Monaten der totale Einbruch der Konjunktur bevor. Die Vorboten der wirtschaftlichen Eintrübung haben die Alpenrepublik schon erreicht, es kommt sicher noch dicker. Unter diesen Vorzeichen ist eine stabile Regierung, die aber auch den Mut und die Kraft zu schmerzhaften Entscheidungen hat, wünschenswert.

5. An den Futtertrögen der Macht. Die Ex-Großparteien drängen auch deshalb in die Regierung, weil man von den Futtertrögen der Macht nicht Abschied nehmen will. Nach wie vor hat es in Österreich die Politik in der Hand, eine Vielzahl von Posten mit Gefolgs- und Vertrauensleuten - allenfalls auch hoffnungslosen Versorgungsfällen - zu besetzen. Diesen Einfluss will man sich nicht nehmen lassen, auch unter Faymann/Pröll wird der Proporz blühen.

Warum sich wenig ändern wird
1. Großkoalitionäres Biotop. Werner Faymann und Josef Pröll, die Chefs von SPÖ und ÖVP, sind deklarierte Großkoalitionäre. Beide sind in einem großkoalitionären Biotop groß geworden: Faymann in Wien, Pröll in Niederösterreich und beim Bauernbund. Ostösterreich tickt anders als das restliche Österreich. Das rote Wien und das schwarze Niederösterreich sind mit großen Koalitionen immer sehr gut gefahren. Vor allem finanziell ist der Großraum Wien vom Bund stets bestens bedient worden.

2. Lieber kein Erfolg als Erfolg des Partners. In Koalitionen von zwei gleich starken Parteien liegt die Versuchung nahe, dem jeweils anderen keinen Erfolg zu gönnen. In der Pflegedebatte stellten die Minister Erwin Buchinger (SPÖ) und Martin Bartenstein (ÖVP) die Betroffenen vor eine monatelange Geduldsprobe, weil beide die Vorschläge des jeweils anderen ablehnten und weiter stichelten. Beim Nichtraucherschutz beharrten SPÖ und ÖVP so lange auf gegensätzlichen Modellen, bis ein komplizierter Kompromiss übrig blieb.

3. Die undankbare Rolle des Juniorpartners. Die ÖVP hadert schon jetzt mit ihrem Schicksal als Juniorpartner. Die kleinere Partei hat weniger Möglichkeiten zu strahlen und mehr Druck sich zu behaupten. Dementsprechend muss der designierte ÖVP-Parteichef Josef Pröll danach trachten, von der eigenen Basis nicht als SPÖ-Beiwagerl wahrgenommen zu werden. Das geht nur, wenn er immer wieder auf den Tisch haut, was dem Koalitionsklima nicht unbedingt gut tun dürfte.

4. Im Zweifelsfall kommt die Blockade. In Grundsatzfragen sind Rot und Schwarz schon in den Koalitionsverhandlungen an ihre Grenzen gestoßen. Das ewige Streitthema Schule scheint auch diesmal nicht gelöst zu werden. Die ÖVP will keine Ausweitung der "Neuen Mittelschule", die SPÖ beharrt auf ihrem Prestigeprojekt. Besonders anfällig für grundsätzliche Streitereien ist auch die Sozialpolitik. Hier wirft die SPÖ der ÖVP gerne "soziale Kälte" vor, während die ÖVP das "Gießkannenprinzip" der SPÖ geißelt.

5. Eine Frage der persönlichen Chemie. Ob und wie lange Faymann und Pröll das Land regieren, wird sich auch an ihrem persönlichen Gesprächsklima entscheiden. Dieses hat sich in letzter Zeit etwas eingetrübt. Faymann beschwerte sich, dass Pröll sein Verhalten von einem auf den anderen Tag ändern würde. Pröll kritisierte, dass Faymann lieber mit "populistischen Aktionen" an die Öffentlichkeit gehe, als Streitfragen intern zu regeln.