Sie rechnen mit einer großen Koalition. Was ist, wenn die ÖVP Ihnen einen Korb gibt?
WERNER FAYMANN: Ich bin ein Optimist. Die Finanzmarktkrise in Europa und der Eintrübung der Konjunktur erfordert rasches Handeln. Ich hoffe, dass dieses Argument auch bei der ÖVP auf fruchtbaren Boden fällt und die ÖVP macht, was für das Land am wichtigsten ist: rasche Regierungsverhandlungen.

Und wenn nicht?
FAYMANN: Was ich vor der Wahl gesagt habe, gilt auch nach der Wahl: Es gibt keine Koalition mit FPÖ oder BZÖ. Ich habe das Gefühl, dass die Erneuerung, die die ÖVP vollzieht, in die richtige Richtung weist.

Wenn sich die ÖVP verweigert, drängt sich eine Minderheitsregierung auf.
FAYMANN: Das ist keine stabile Regierung. Die Finanzierung des Gesundheitswesens, die Sicherung der Pensionen, diese Probleme verlangen nach Stabilität, nicht nach einer Minderheitsregierung.

Ist es demokratiepolitisch nicht problematisch zu sagen: Wurscht, was ihr wählt, es gibt sowieso eine große Koalition?
FAYMANN: Die Wahl hat gezeigt, dass die große Koalition eine mittlere Koalition geworden ist. Die Wähler waren mit der Art des Regierens unzufrieden. Erinnern Sie sich an Schwarz-Blau: War da die Bevölkerung zufriedener? Da war die Arbeitslosigkeit hoch, und die FPÖ ist damals fast aus dem Parlament hinausgewählt worden. Schwarz-Blau hat die Österreicher verärgert, und auch die jetzige Koalition hat die Österreicher verärgert. Man soll mit der Farbenlehre aufhören.

Aber der Einbruch bei den Großparteien war doch gewaltig.
FAYMANN: Das leugne ich nicht. Wir müssen rasch das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen mit einem neuen Team, einem neuen politischen Stil. Wenn wir jetzt nur parteipolitische Spielchen treiben und vielleicht auch nur noch über Posten reden, dann ist das das beste Förderungsprogramm für BZÖ und FPÖ.

Wenn das "große Koalition neu" scheitert, bescheren Sie uns einen Bundeskanzler Strache.
FAYMANN: Wenn die Regierungsverhandlungen lange dauern, wäre das schon der erste Grundstein. Wir sollten in Zukunft auch die Aussendungen von Parteisekretären in der Schublade lassen und lieber das Papier einsparen.

Die FPÖ hat gerade in den SPÖ-Hochburgen, Gemeindebau, Mur-Mürzfurche zugelegt. Hat man nicht die Ausländerfrage unter den Teppich gekehrt?
FAYMANN: Man hat einfach zu viel unter den Teppich gekehrt, ich denke an die EU. Die EU ist ein großes Projekt, aber das ständige Hochjubeln und Gesundbeten verärgert die Menschen.

Dass Strache im Gemeindebau zugelegt hat, hat nicht nur mit der EU zu tun.
FAYMANN: In den Villengegenden finden sich logischerweise weniger Modernisierungsverlierer als im Gemeindebau. Wer das Gefühl hat, dass er von der Be schäftigung nicht leben kann, dass ihm die Teuerung alles wegfrisst, fühlt sich stärker betroffen als ein Forscher in einem Betrieb, der von großen Exporten profitiert. Das ist eine soziale Frage.

Müsste die SPÖ nicht mehr nach links rücken?
FAYMANN: Links heißt meistens, dass die Wirtschaft nicht so wichtig ist. Ich sehe das anders: Der Wirtschaft muss es gut dann, dann muss aber alles richtig verteilt werden

Andre Heller schreibt im Falter, er sagt der SPÖ adieu. Auch andere Intellektuelle wenden sich ab.
FAYMANN: Ich habe mit vielen Intellektuellen Gespräche geführt, viele konnte ich überzeugen, dass wir europafreundlich sind. Aber wird dürfen auch nicht die Missständen und die Ängste leugnen.

Wie wollen Sie sich mit der ÖVP in der EU-Frage einigen.
FAYMANN: Ich habe noch Zeit, die ÖVP von der Sinnhaftigkeit einer Volksabstimmung zu überzeugen. Ich werde sicher keinem Regierungsprogramm zustimmen, in dem drinnen steht, dass es keine Volksabstimmung geben darf.

Die ÖVP muss sich bewegen.
FAYMANN: Das finde ich nicht. Die ÖVP muss nur den Fall, dass es einen EU-Vertrag gibt, nicht ins Regierungsprogramm hineinreklamieren. Den neuen Vertrag gibt es noch nicht. Vielleicht findet die EU einen Weg, dass es zu keinem neuen Vertrag kommt.

Es soll also alles offen gelassen werden?
FAYMANN: Wenn der neue Vertrag vorliegt, muss sich die Regierung damit beschäftigen. Dass wir für eine Volksabstimmung eintreten, ist bekannt. Das halte ich für kein Hindernis für ein Regierungsprogramm. Außer man verlangt von mir, dass ich meine Position aufgebe, dann wird es schwierig. Ich nehme auch die Studiengebühren nicht zurück.

Soll Gusenbauer Ihrem Team angehören?
FAYMANN: Ich kenne das Gerücht nur aus den Zeitungen. Ich habe es nicht von ihm gehört.

Bis wann sollte die Regierung stehen?
FAYMANN: Ich hoffe vor Weihnachten.