Der liebe Gott ist nicht schuld an unserer Rekord-Inflation. Die ist zwar im Juli um einen schnöden Zehntelprozentpunkt auf 3,8 Prozent gesunken. Ein Drittel unserer Rekordinflation wird aber nicht importiert, ist hausgemacht. Das ist schon lange so. Das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat in einem Weißbuch schon vor zwei Jahren etliche Vorschläge gemacht, was dagegen von der Politik dagegen zu tun sei. „Unser Hauptproblem ist zu wenig Wettbewerb in wichtigen Branchen“, sagt Wifo-Chef Karl Aiginger. Er giftet sich heute noch, dass von den elf vor zwei Jahren ausgetüftelten Strategien für höheres Wirtschaftswachstum in Österreich von der Politik „das Kapitel Wettbewerb wirklich total missachtet“ worden sei.

Problem für Österreicher. Erst die Rekordteuerung vom Juni dieses Jahres, die mit 3,9 Prozent des höchsten Wert seit 15 Jahren erreichte und laut Umfragen für vier Fünftel der Österreicher zum größten Problem geworden ist, hat die Politik geweckt. "Erstmals seit zehn Jahren ist das überhaupt ein Thema", merkt Aiginger an. Noch vor kurzer Zeit sei politisch etwa weiter an einer für mehr Preiswettbewerb schädlichen "österreichischen Stromlösung" gebastelt worden. Es sei auch nicht verhindert worden, dass etwa im Lebensmittelhandel eine größte Kette die andere schluckt, was die Konkurrenz auch nicht stärkt. Aiginger zitiert eine Untersuchung der Arbeiterkammer, wonach in Österreich 200 wichtige Lebensmittel um rund 20 Prozent teuerer sind, als in Deutschland.

"Anderswo ist das strafbar“ Auch in anderen Branchen müssten "sofort Studien gemacht werden, wenn die Preise stärker steigen oder sie höher liegen als im Ausland", verlangt Aiginger. Die Wettbewerbsbehörde müsse prüfen, den Firmen "permanent auf die Nerven gehen, auch die eine oder andere Strafe wäre nicht schlecht", meint der Wifo-Chef.

Novelle. Die jüngst von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zur Begutachtung ausgeschickte Novelle, die der Bundeswettbewerbsbehörde "mehr Biss" besorgen soll, sei ein Anfang. "Sie hat Zähne", glaubt Aiginger. Er bedauert jedoch, dass Rot-Schwarz bei der angedachten Fusion dieser Behörde mit dem Kartellanwalt "in typischer Manier streiten", weil keine der beiden Parteien ihre Einflusssphären aufgeben will. "Ein bis zwei Prozentpunkte weniger Inflation" könnte forcierter Wettbewerb in Österreich mittelfristig locker bewirken, heißt die vorsichtige Prognose Aigingers.

Dutzende Beispiele. Und er zählt dutzende Beispiele auf, wo anzusetzen wäre: etwa bei Tankstellen, die Preise täglich mehrmals verändern, gezielt unübersichtlich ausschildern. "Das ist bewusstes Ausnützen der Marktmacht und anderswo strafbar." Auch die strenge Gewerbeordnung, die es zum Beispiel nicht erlaubt, dass Gasthäuser kleine Geschäfte oder Tankstellen kleine Gaststätten haben, müsse gelockert werden. Österreich habe viel zu hohe "Markteintrittsbarrieren". So sollten neben den Tankstellen der Asfinag auch die der ÖBB öffentlich zugänglich werden. Oder der Staat sollte sich aus der Elektrizitätswirtschaft zurückziehen. "Bitte abschaffen", sagt Aiginger zum Verfassungsgesetz, das dies erzwingt. Einfrieren öffentlicher Gebühren für Wasser, Strom oder Straßenmaut könnte auch "ein Zehntelprozent bringen". Damit ist er nicht allein. Sein Wifo-Vorgänger, Helmut Kramer predigt ebenfalls vor allem "mehr Wettbewerb": bei Energie, im Supermarkt, öffentlichen Diensten, freien Berufen, Taxis an Flughäfen, im Geld- und Versicherungswesen oder im Internet-Datenverkehr bei den Roaming-Gebühren. Dies alles sei freilich nicht von heute auf morgen wirksam. Konsequente Wettbewerbspolitik greife erst mittelfristig.

Handlungsbedarf. Dennoch sollte auch kurzfristig von der Politik etwas gegen den jüngsten Preishorror unternommen werden, meint Kramer. "Um die Auszehrung der Kaufkraft niedriger Einkommen" vor allem bei Arbeitslosen und Rentenbeziehern auszugleichen, regt der Ökonom in Pension "gezielt temporär erhöhte" Zuschüsse für die am ärgsten geschröpften Personengruppen an.

Keine politschen Ratschläge. Nachfolger Aiginger gibt keine politischen Ratschläge. "Leider gibt es keine einzelne Maßnahme", mit der die Teuerung rasch um einen halben Prozentpunkt gesenkt werden könne. Aiginger ist auch gegen aus seiner Sicht allzu radikale Ideen wie etwa "Gratis-Öffis" für alle: Wenn niemand mehr direkt für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zahlen müsste, fehlte den Betreiber bald jede Konkurrenz, würden dort bald "ein Schlendrian" herrschen, der die Kosten treibt.