Wer ist Werner Faymann? Seit eineinhalb Monaten stellen sich potenzielle Wähler wie politische Beobachter die Frage nach seinen ideologischen Wurzeln. Wofür steht der Mann? Wohin würde er das Land führen, wenn er könnte?

Wenig Unterschied. In seiner Parteitagsrede am Freitag gab er endlich eine Antwort: Faymann ist ein Gusenbauer fürs Volk. Die sozial-, wirtschafts- und bildungspolitischen Ansichten des neuen SPÖ-Vorsitzenden unterscheiden sich nur unwesentlich von jenen seines Vorgängers. Er drückt es nur einfacher aus.

"Synthese aus Sozialismus und Liberalismus" In seinem ersten Jahr als Parteichef nannte Gusenbauer sein ideologisches Konzept eine "Synthese aus Sozialismus und Liberalismus", dann "solidarische Hochleistungsgesellschaft". Eine Bezeichnung abschreckender als die andere.

Anknüpfen ans "goldene Zeitalter" Faymann meint dasselbe, wenn er lang und kitschig ausführt: Die Siebziger waren das "goldene Zeitalter" der SPÖ -Gratis-Schulbücher, für jede Familie ein Auto, Fließwasser und Klo in der Wohnung. Alles zusammen hat die Menschen gebildeter und wohlhabender gemacht, damit aber auch selbstbewusster und anspruchsvoller. Wollen die Roten im 21. Jahrhundert noch einen Auftrag haben, müssen sie die beiden Ansprüche ihrer Geschöpfe bei jeder Sachfrage unter einen Hut bringen: Wir können tun und lassen, was wir wollen, aber wenn es uns schlecht geht, kümmert sich der Staat um uns.
b Gewerkschafter zurückdrängen. Dass Gusenbauer den innerparteilichen Einfluss der Gewerkschafter zurückdrängen wollte, war nicht nur ein Versuch, die Bawag-Krise nicht auf die SPÖ abfärben zu lassen. Sie war auch dieser Theorie geschuldet. Schließlich ist der ÖGB nicht gerade ein Hort des Liberalismus und der Individualität.

Keine andere Wahl? Dass er die Gewerkschafter wieder näher an seine Brust zieht, könnte also darauf hindeuten, dass Faymann doch kein Gusenbauer ist und mehr in Richtung Sozialismus neigt. Oder er hatte angesichts von Umfragen, welche die SPÖ schon bei 21 Prozent sahen, einfach keine andere Wahl.

Keine Koalition mit FPÖ. Und Faymanns Versprechen, nicht mit der FPÖ zu koalieren? Hier unterscheidet er sich von Gusenbauer. Entweder ist Faymann wirklich, wie er es nennt, "politisch-moralischer" als sein Vorgänger. Oder nur trickreicher. Oder er will seinem Image als Boulevard-König etwas entgegensetzen.

Wie tief die Wurzeln reichen... Wie tief Werner Faymanns Wurzeln wirklich reichen, wie lange seine Grundsätze gelten, wird man spätenstens dann sehen, wenn seine Parteifreunde vom Anti-Blau-Kurs abspringen. Also bald.