Das Auffälligste: die Kopfbedeckungen. Die älteren Frauen, die am Wiener Brunnenmarkt Lebensmittel einkaufen, tragen große Kopftücher mit Mustern. Die junge Frauen, die zwischen den Standeln herum schlendern, stimmen die ihren farblich auf die bunten, engen Oberteile ab. Ein indischer Sikh mit Turban preist Kuscheltiere an. "Es ist ein Ghetto", sagt eine Pensionistin, die hier, im 16. Bezirk von Wien, in Ottakring, ein Geschäft betrieben hat. Damals seien noch Kunden aus anderen Bezirken gekommen, erzählt sie, jetzt gäbe es nur mehr "fleißige türkische Gemüseverkäufer" und "herumlungernde Jugos", also "Billigkundschaft". Ihre Eigentumswohnung habe an Wert verloren, klagt die Frau, Mieter fände man nur schwer: "Man muss froh sein, wenn man jemanden aus den Bundesländern findet, der die Gegend nicht kennt."

Stoßrichtung offensichtlich. ÖVP Generalsekretär Hannes Missethon spricht der Pensionistin aus der Seele, wenn er den Wahlkampf mit solchen Sprüchen anheizt: "Man ist im alten Ottakring schlafen gegangen und in der Früh in Istanbul aufgewacht." Diese "Ausländerghettos" und "Slums" müssten aufgelöst werden, indem man die Zuwanderer nach Quoten über die ganze Stadt verteilt. Die Stoßrichtung ist offensichtlich: Werner Faymann, Spitzenkandidat der SPÖ für die Nationalratswahl, war, bevor er Anfang 2007 zum Infrastrukturminister aufstieg, 13 Jahre lang Wohnbaustadtrat von Wien. Und eben deshalb gäbe es anders als in Paris oder Berlin in Wien keine Ghettos, antwortet Faymann. Auch weil Wien mit 220.000 Gemeindewohnungen sehr effizient Wohnpolitik betreiben könne. Wer hat recht?

Absonderung ethnischer Gruppen. Der "Migrations- und Integrationsbericht" der Akademie der Wissenschaften, der Ende des Vorjahres publiziert wurde, kommt zu dem Schluß: "Obwohl - und dies ist die gute Nachricht - großräumige Zuwandererghettos in den größeren österreichischen Städten nach wie vor nicht existieren, ist die schlechte Botschaft, dass es den ehemaligen Gastarbeitern offensichtlich nur in sehr beschränktem Ausmaß gelungen ist, eine grundlegende Verbesserung ihrer Wohnungsmarktpositionierung zu realisieren." Abgesehen von Wien beobachten die Wissenschaftler auch in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck eine "Segregation", also Absonderung, ethnischer Gruppen.