Es sollte ein historischer Tag werden gestern in Nepal. Nach 240 Jahren Königsdynastie plante das Himalaya-Königreich unter dem Jubel der Bevölkerung die Republik auszurufen. Zehntausende Menschen sammelten sich in den Straßen von Katmandu, um die Geburt der Republik zu begrüßen, riefen den ganzen Tag über "Lang lebe die Republik!" und "Lebewohl König Gyanendra!". Doch Nepals neu bestelltes Parlament debattierte gleich bei seiner ersten Sitzung bis tief in die Nacht hinein um verfassungstechnische Details. Das Ende der Monarchie ließ auf sich warten. Erst kurz vor Mitternacht trat der 84-jährige nepalesische Ministerpräsident Girija Prasad Koirala vor die Versammlung, und endlich war die Republik ausgerufen.

Rote Fahnen. Ein Großaufgebot an Soldaten stand bereit, um unter den tausenden Menschen, die mit den roten Fahnen der Maoisten durch die Straßen zogen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Doch Monarchisten waren keine zu sehen. Auch eine Rede des Königs wurde erwartet, doch dieser schwieg. Seit dem Palastmassaker im Jahr 2001 hat der Monarch jeden Respekt im Volk verloren. Viele halten Gyanendra für den Mörder seiner eigenen Familie. Er gilt als machthungriger Lebemann und Parasit, der in märchenhaftem Prunk lebte, während die verarmten Massen Nepals litten.

Überlieferungen. Nach alter Überlieferung waren Nepals Könige Wiedergeburten von Hindu-Göttern. Lok Raj Baral vom "Zentrum für zeitgenössische Studien" in Katmandu geht daher davon aus, dass die Dynastie auch in Zukunft in ein paar Ritualen weiter angerufen werden wird - "doch vermissen wird den König sicher niemand", ist er überzeugt. Mit dem Bürgerkrieg und den politischen Umbrüchen der letzten Jahre habe sich die alte Ehrfurcht vor dem König wie von selbst aufgelöst. Dem entmachteten Gyanendra wurde gestern eine 15-tägige Frist gegeben, um den Palast zu verlassen.

Neuer "König". Der neue "König" im Land ist nun der alte Rebellenführer Prachanda, der dem bewaffneten Kampf abgeschworen hat und jetzt mit dem Präsidentenamt liebäugelt. Der Maoist soll diese Woche bereits einen Topdiplomaten der USA getroffen haben, um ihm seiner Friedensabsichten zu versichern. Doch die USA betrachten die Maoisten derzeit weiter als Terrororganisation.