Herr Vizekanzler, Sozialminister Erwin Buchinger sträubt sich gegen eine Pensionsautomatik mit dem Argument, er wolle keinen "seelenlosen Rechenapparat." Ist die ÖVP seelenlos?
WILHELM MOLTERER: Es gibt einen Konsens in der Regierung. Wenn die Lebenserwartung weiter ansteigt, muss sich das Pensionssystem weiter entwickeln. Ich verstehe Buchingers sozialpolitische Ausrichtung nicht. Es kann nicht im Interesse der Menschen sein, dass die Politik dem demographischen Wandel unserer Gesellschaft nur zuschaut. Ich erwarte, dass der vereinbarte Konsens umgesetzt wird.

Es geht darum, ob die Anpassung automatisch erfolgt oder politischen ausgehandelt wird.
MOLTERER: Die junge Generation hat ein Anrecht darauf, dass auch in 20 oder 30 Jahren eine Altersvorsorge existiert, die tragfähig, finanzierbar ist und die den Menschen eine Perspektive bietet. Eine Sozialpolitik, die nur auf das Heute schaut, greift zu kurz. Man muss bei der Altersvorsorge in Generationen denken. Wir dürfen heute nicht so agieren, dass es den Jungen auf den Kopf fällt.

Das beinhaltet unpopuläre Maßnahmen?
MOLTERER: Ist es populär, den Eindruck zu erwecken, dass alles eitle Wonne ist? Ist es nicht fairer, die Wahrheit zu sagen? Es gilt das selbe wie beim Klimaschutz: Handle so, dass die Jungen nicht morgen die Zeche zahlen.

Wer heute die Hände in den Schoß legt, handelt populistisch?
MOLTERER: Wer heute die Hände in den Schoß legt, handelt populistisch zu Lasten der Jungen.

Zur Steuerreform: Können Sie uns sagen, um wie viel Geld jeder Österreicher entlastet werden soll?
MOLTERER: Ich möchte keine Zahlen nennen, aber mein großes Ziel ist, dass die Steuerlast und die Abgabenquote insgesamt gesenkt werden. Ich will, dass jeder Einzelne am Ende über mehr Geld verfügt - der Erfolg der Steuerentlastung soll am Lohnzettel sichtbar sein. Wir werden uns dabei den ganzen Tarifverlauf anschauen müssen. Ich habe bei der Entlastung zwei Prioritäten: die Familien und den Mittelstand, also alle, die Lohn- und Einkommenssteuer zahlen.

Beim Familiensplitting hat die ÖVP die Kurve gekratzt.
MOLTERER: Grundgedanke des Familiensplittings war und ist: Mehr Kinder heißt weniger Steuern. Wer sein Einkommen mit der Familie teilt, wird entlastet. Für mich ist aber auch klar, dass das Familiensplitting nicht zu Lasten der Berufstätigkeit von Frauen gehen kann. Ein Abgehen von der Individualbesteuerung war nie vorgesehen. Das Familiensplitting wird aus einer Mischung aus Absetzbeträgen, Freibeträgen und der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten bestehen.