So einen Aufzug gib es nur in Wien. "Wie aus dem Parteimuseum", spöttelt einer, der mit den ersten Genossen schon pünktlich um neun am Rathausplatz steht. Stundenlang strömt alt und jung der Sozialdemokratie auch auf langen Wegen aus den Bezirken herbei. Mit Spruchbändern und frommen Wünschen wie "Medizin muss für alle leistbar sein" oder kecken Parolen, die linke Studenten zum Besten geben. "Schwarz-Rot, für die Partei der Tod. Raus aus der Koalition", tragen VSSTÖler vor sich her.

"Tag der Arbeit". An die 100.000 Sozialdemokraten sollen es sein, die freundlich und diesmal angeblich viel geschlossener als voriges Jahr an den Parteioberen am "Tag der Arbeit" vorbeiziehen. Die Granden stehen hoch oben auf der Bühne, winken artig zurück. Sogar der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer wirkt gelöst, manchmal echt fröhlich, wenn er lächelnd neben ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer und Wiens Bürgermeister Michael Häupl den Daumen immer wieder nach oben reckt, das rote Tüchlein schwenkt. Das gilt der zackig aufspielenden OMV-Werkskapelle genau so wie jeder noch so kleinen Abordnung aus den Bezirken, die auch in kleinen Wägelchen oder mit südamerikanischem Trommelwirbel aufkreuzen und von einer Sprecherin mit oft unsäglichen Sprüchen empfangen werden. Wie die SPÖ-Favoriten, in deren Bezirk "die SPÖ einfach ideale Lebensbedingungen für alle Menschen geschaffen hat".

Applaus und Pfiffe. Auch dabei runzelt heute keiner die Stirn. Hunderte rote Luftballons fliegen aus Netzen befreit in den grauen Himmel. Die SPÖ feiert sich selbst, stachelt die Stimmung gegen den Koalitionspartner, "die selbstherrliche ÖVP" , immer wieder an. Es sei "hoch an der Zeit gewesen, den Druck zu steigern", dröhnen Lautsprecher. "Sieben Jahre haben Schwarz-Blau-Orange alles zusammengekürzt", jetzt ist die Welt in Ordnung, spielt die SPÖ "wieder die erste Geige", heißt die sich wiederholende Frohbotschaft.

Studiengebühren. Auf einmal äugt der Parteichef doch angestrengter in die Menge, verfliegt Gusenbauers Dauerlächeln. Keine zwanzig Meter vor ihm hat sich Parteijugend mit großen Ballons in die Menge gezwängt, an denen ein Transparent hängt, dessen Botschaft der Kanzler noch nicht lesen kann. Nur das für Gusenbauer ärgerliche Wort "Studiengebühren" wird gleich sichtbar. Die holprige Ansprache des ersten Redners zum 1. Mai, von ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer, ändert daran nichts. Er schwadroniert von "Aufstehen und Weiterkämpfen", erhält matten Applaus, macht dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl Platz. Der zieht wieder kräftig vom Leder, schimpft, dass bei uns die Bauern für Milch weniger bekommen als in Deutschland, wo sie trotzdem billiger sei und droht mit "regulativen Maßnahmen". Auch mit Seitenhiebe auf die "autistische" und "verantwortungslose" Gesundheitsministerin" Andrea Kdolsky (ÖVP) erntet Häupl schließlich viel, den wohl größten Zuspruch.