Herr Klubobmann, wie lange wird es diese Regierung denn noch geben?
WOLFGANG SCHÜSSEL: Bis 2010 hoffe ich. Das setzt voraus, dass die Vereinbarungen, die Kanzler und Vizekanzler getroffen haben, auch umgesetzt werden. An Projekten mangelt es auf jeden Fall nicht.

Der Riss in der Koalition wurde nur mühsam gekittet, aber nicht repariert. Ist nicht die große Koalition an sich das Problem?
SCHÜSSEL: Ich habe große Koalitionen erlebt, die sehr viel zusammengebracht haben, etwa vor dem EU-Beitritt. Auch Anfang der 90er Jahre ist noch sehr viel erreicht worden. Aber es hat auch Phasen gegeben, wo nichts weiter gegangen ist.

Ist nicht eine kleine Koalition viel schneller, viel flexibler?
SCHÜSSEL: Gerade in den Jahren 2000 bis 2007 ist in der kleinen Koalition sehr viel weitergegangen. Aber auch hier hat es sehr schwierige Phasen gegeben. Wichtig ist in jeder Koalition, die Energien zu bündeln. Wenn die Energie dazu verwendet wird, entgegen dem Koalitionsvertrag etwa in den Untersuchungsausschüssen gegen uns zu stimmen, dann behindert das die Arbeit massiv - zehn Abgeordnete und das halbe Personal des Klubs arbeiten nur an dieser Frage.

Nächste Woche wird eine Initiative zur Einführung des Mehrheitswahlrechts gestartet. Würde das Abhilfe schaffen?
SCHÜSSEL: Ich warne davor, grundlegende Strukturfragen in der Demokratie deswegen zu ändern, weil man mit der gegenwärtigen Regierung unzufrieden ist. Entweder ist man grundsätzlich für eine Änderung des Wahlrechts, dann soll man das begründen. Das würde bedeuten, dass die Stimme kleinerer Parteien nicht mehr gehört werden oder sie sich nur noch außerparlamentarisch Gehör verschaffen können. Das bedeutet auch eine viel schärfere Polarisierung zwischen zwei Lagern, die sich dann abwechseln können. Damit wird der Einsatz höher, der politische Grabenkampf deutlich verschärft, auch die Sozialpartnerschaft würde stark an Bedeutung verlieren. Also alles Dinge, die nicht dem österreichischen Modell einer auf Konsens gerichteten Demokratie entsprechen. Deshalb bin ich anderer Meinung.