Der kirchliche Höhepunkt dieses Jahres war der Papst-Besuch in Österreich. Was bleibt davon?
EGON KAPELLARI: Das kann man nicht so einfach messen. Sicher bleibt eine nachhaltig positive Erinnerung bei allen Beteiligten. Es bleiben besonders auch die Texte des Papstes, und es bleibt der Eindruck, dass die katholische Kirche in Österreich, trotz aller Umbrüche und Aufbrüche, einen sehr lebendigen Kern hat.

Wie erklären Sie sich das weitgehende Fehlen der bei anderen Papstbesuchen üblichen heftigen Kritik?
KAPELLARI: Es ist allgemein bewusster geworden, dass die Themen dieses Papstes, aber auch die seines Vorgängers, zentral wichtig sind in einem vielfach ermüdeten Europa. Es geht um die Frage, ob Gott existiert und wer er ist und was der Mensch verliert, wenn er Gott verliert. Andere Fragen bleiben auf dem Tisch, aber sie werden nur gelöst, wenn die Christen fundamentaler - nicht fundamentalistisch - glauben. Dies auch vis a vis dem Islam.

Was meinen Sie mit Ermüdung Europas?
KAPELLARI: Ich meine einmal die Unwilligkeit der Mehrheit der Europäer, Kinder zu haben. Das hat komplexe Gründe, aber das ist so und hat viele Ursachen. Dann gibt es sicher auch eine spirituelle Müdigkeit im Sinne der Gleichgültigkeit gegenüber einem religiös-kulturellen Erbe, dem Europa so ungemein viel verdankt.

Graz hat keine Moschee - soll eine gebaut werden?
KAPELLARI: Der Islam ist in Österreich seit 1912 staatlich anerkannt und hat das Recht, Räume und Häuser für seine Gottesdienste zu schaffen im Rahmen der Gesetze. Initiativen zu einem allfälligen Moscheebau müssen von den Muslimen selbst ausgehen. Wenn die vielen islamischen Gruppen dabei zu einer Einigung kommen, dann werden sie sich auch durchsetzen. Sie sind aber gut beraten, wenn sie auf die jeweilige Situation der Zivilgesellschaft Rücksicht nehmen.

Der Islam soll 2010 die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft sein, vor den Protestanten. Was hat das zur Folge?
KAPELLARI: Der Islam wird in Europa wohl eine Minderheit bleiben, aber eine Minderheit mit stark wachsender Bedeutung. Dies schon wegen der stark wachsenden Zahl seiner Kinder. Bewusste Christen werden dies als Herausforderung verstehen, ihren Glauben bewusster zu leben und sich nicht ins Private verdrängen zu lassen.

Heuer hat der Papst den alten Messritus wieder gestattet. Glauben Sie an eine Renaissance dieses Rituals?
KAPELLARI: Sicher bleibt der nach dem Konzil gestaltete Ritus der Regelfall. Dem alten Ritus sollte man aber entkrampft begegnen. Er ist schön und ehrwürdig, aber er wird die Ausnahme bleiben.

Werden Sie ihn feiern?
KAPELLARI: Ich habe den vorkonziliaren Ritus jahrelang gefeiert und ich hätte keine Schwierigkeit, ihn wieder zu feiern, wenn es eine Gruppe gibt, die das - ausreichend begründet - will. Aber ich werde nicht dazu beitragen, eine Pfarrgemeinde zu spalten oder einer Gemeinde den früheren Ritus aufzudrängen.