Von den eigenen Eltern bedroht und mit Gewalt gefesselt - und das nur wegen der Liebe zu einem Österreicher. Am Sonntag passierte das einer 18-jährigen Liezenerin türkischer Abstammung (wir berichteten). "Man darf nun natürlich nicht alle ausländischen Familien über einen Kamm scheren", betont Krista Mittelbach von der Jugend- und Kinderanwaltschaft des Landes Steiermark. Dennoch gilt: Vor allem in Migrantenfamilien kommt es oft zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Generationen.

Verschiedene Kulturen. "Hier prallen eben zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinander", weiß die Juristin. Die Kinder leben in einem Familienumfeld, in dem traditionelle Werte und Geschlechterrollen dominieren. In der Schule lernen sie hingegen österreichische Standards kennen: "Sie sind innerlich zerrissen, wissen nicht, wohin sie gehören." Aus dem familiären Umfeld auszureißen sei besonders für Migrantinnen nicht einfach: "Sich zur Wehr zu setzen heißt gleichermaßen, mit der Familie brechen zu müssen." Das sei für noch wenig stabile Jugendliche ein Schritt, der besonders viel Mut erfordere.

Workshoprs. Oft fehle auch das Wissen um die eigenen Rechte, wie Irene Windisch vom Verein "Danaida" weiß: "Immer wieder sitzen junge Menschen in unseren Sprachkursen oder Workshops, die nicht wissen, dass häusliche Gewalt strafbar ist und dass Menschenrechte einzuhalten sind." Auch wohin sich die Betroffenen wenden können, wissen sie oft nicht. Besonders schwierig sei der Schritt aus einer patriarchalischen Familiensituation für Frauen, die eine arrangierte Ehe eingegangen sind. "Ist ihr Aufenthaltsrecht an die Verbindung mit ihrem Mann gebunden, wird es für sie schwierig", erklärt Windisch.

Wegweisung. Aber auch für unverheiratete Mädchen ist der Gang zur Polizei oder einer Hilfseinrichtung aus rechtlicher Sicht nicht leicht: Eine gerichtliche Wegweisung der Eltern oder des Gatten kann erst nach dem eindeutigen Nachweis körperlicher Gewalt erfolgen, außerdem steht in vielen Fällen die Minderjährigkeit im Weg. "Dazu kommt noch die Angst, die die Mädchen bei einem Ausriss aus dem traditionellen System begleitet", so Windisch. Drohungen von Verwandten und Medienberichte über Ehrenmorde würden viele zurückschrecken lassen.