Am Vorabend der Sondersitzung des Nationalrats zur Abschiebepraxis hat sich Caritas-Präsident Franz Küberl für ein humanitäres Bleiberecht für Familien, die mehr als fünf Jahre in Österreich leben, ausgesprochen. Zwischen 3000 und 4000 Personen wären davon erfasst. "Das ist keine Zahl, die die Republik ins Wanken bringt. Das mute ich dieser Regierung zu", so Küberl gegenüber der Kleinen Zeitung.

Landeshauptleute las letzte Instanz. Aufhorchen lässt Küberl noch mit einem anderen Vorschlag: Die Letztentscheidung über die Gewährung eines humanitären Bleiberechts sollte nicht beim Innenminister, sondern bei den Landeshauptleuten angesiedelt werden. "Die Landeshauptleute sind näher dran." Derzeit sind die Landeshauptleute nur im Besitz eines Art Vorschlagsrechts. Der Einwand, das würde zu einem Wildwuchs in der Bleibepraxis führen, entkräftet der Caritas-Chef mit dem Hinweis, die Landeshauptleute entscheiden heute bereits über die Gewährung der Staatsbürgerschaft.

Österreich gesplalten. Die Debatte über Fremdenrecht und Abschiebepraxis spaltet nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung. Nach einer OGM-Umfrage für den ORF-report sind 41 Prozent für den Kurs von Innenminister Günther Platter (ÖVP), 42 Prozent sind dagegen. Nur wenig klarer der Volkswille in Sachen automatisches Bleiberecht: 37 Prozent sind dafür, 48 Prozent dagegen.

SPÖ ringt um Linie. Bei der für heute anberaumten Sondersitzung wollen die Grünen einen Misstrauensantrag gegen Innenminister Platter einbringen. SPÖ-Klubobmann Josef Cap ließ gestern bereits durchblicken, dass der Koalitionspartner dem Antrag der Grünen keinesfalls folgen werde. Während die ÖVP dem Innenminister die Mauer macht, ringen die Sozialdemokraten um eine gemeinsame Linie. Die SPÖ hatte immer mehr Schwierigkeiten, ihre Leute in Sachen Asyl bei der Stange zu halten. Jeder will etwas anderes: SPÖ-Justizministerin Maria Berger hatte gegenüber der Kleinen Zeitung ein Bleiberecht für Asylwerber, spätestens nach sieben Jahren im Land, gefordert. Sozialminister Erwin Buchinger will aus Angst um Arbeitsplätze für Österreicher zwar nicht mehr Menschen im Land oder gar ins Land lassen, aber auch er würde das Fremdenrechtspaket von 2005 gerne in einem Punkt ändern: "Die Möglichkeit zur Zwangsernährung würde ich gerne aus dem Gesetz streichen", sagte Buchinger am Rande der SPÖ-Klausur in Villach, "denn das finde ich einfach nur abscheulich." Bundesgeschäftsführer Josef Kalina machte aber später klar: "Wir brauchen keine Gesetzesänderung".

"Christlich genug". Damit sind SPÖ und ÖVP in der Sache, aber nicht in der Sprache einig. Auch ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon ist die Gesetzeslage "christlich genug". Er plädierte im ORF in Sachen Familie Zogaj zwar für eine "menschliche Lösung", sieht diese aber im Kosovo, nicht in Österreich. Er appellierte an Arigona, sich einem Gespräch zu stellen.