Es gibt bereits eine Goldmedaille um 29,5 Euro mit dem "neuen österreichischen Bundeskanzler" und Ihrem Konterfei. Ab November kostet sie 72,5 Euro. Fühlen Sie sich bereits als Kanzler?
ALFRED GUSENBAUER: Ich habe sie weder bestellt noch gesehen. Kanzler ist man dann, wenn man vom Herrn Bundespräsidenten angelobt wird.

Der Weg zur Angelobung dürfte stolprig werden. Es reiht sich in den Koalitionsverhandlungen eine Verstimmung an die nächste. Sehen Sie jemanden im VP-Team, der die große Koalition wirklich will?
GUSENBAUER: Ehrlich gesagt ist es die Aufgabe der ÖVP mit dem Wahlergebnis umzugehen. Die Bevölkerung hat sich eindeutig entschieden und gesagt: Wir wollen eine Veränderung haben, deswegen hat die ÖVP acht Prozent verloren und deswegen hat die bestehende Bundesregierung gerade einmal 38 Prozent eingefahren. Eine solch deutliche Absage an eine Regierung hat es in Österreich noch bei keiner einzigen Wahl gegeben. Gleichzeitig haben die Leute gesagt, wir wollen eine Veränderung in Kooperation haben. Und deshalb sollte das Wahlergebnis zu einer großen Koalition führen. Es ist jetzt Aufgabe der ÖVP, das Wahlergebnis anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen.

Sehen Sie bei den Verhandlungen schon einen Silberstreif am Horizont?
GUSENBAUER: Irgendwann muss ein jeder sich im klaren sein, dass die Leute den Wunsch haben, dass bei einer Wahl am 1. Oktober am besten schon am 2. Oktober es eine Regierung geben sollte. Diejenigen, die dazu beitragen, dass sich das endlos lange hinzieht, werden nicht den Applaus der Bevölkerung ernten.

Wie fühlen Sie sich persönlich angesichts der schleppenden Verhandlungen?
GUSENBAUER: Ich kann nur sagen, dass die Leute auf der Straße alle außerordentlich freundlich sind. Sie freuen sich, wenn sie mich sehen, sagen mir: Darauf musst aufpassen, auf jenes musst aufpassen.

Worauf sollen Sie aufpassen?
GUSENBAUER: Heute bin ich im Park gesessen und habe geplaudert. Da ist jemand gekommen und hat gesagt: Du musst auf unsere Pensionen aufpassen, es wird schon wieder weniger.

Auf die Grundsicherung werden Sie wohl auch angesprochen?
GUSENBAUER: Eine Frau hat mir gesagt: Tun Sie etwas gegen die Armut, weil ich gehöre auch zu den Armen. Sie hat gar nicht ausgeschaut wie eine arme Frau. Die Armutsbekämpfung ist ein heißes Thema und da kann jeder mit mir reden, welche Vorstellungen er hat. Nein sagen allein ist aber zu wenig. Dass man bei einer Million Armutsgefährdeten, bei über 400.000, die in akuter Armut leben, etwas machen muss, ist doch völlig klar.

Was halten Sie von der Forderung des Salzburger SP-Landesrates Erwin Buchinger, dass zur Finanzierung der Grundsicherung wieder die Vermögenssteuer eingeführt wird?
GUSENBAUER: Erstens ist es so, dass Sie bis zum Ende der Verhandlung noch Vieles an irgendwelchen Vorschläge hören werden. Zweitens diskutieren wir keine neuen Steuern, sondern jetzt geht es einmal darum, wie man mit dem vorhandenen Geld auskommt.