In den vergangenen elf Tagen haben islamische Extremisten bei einer Serie von Bombenanschlägen und Angriffen in Pakistan etwa 150 Menschen getötet. Ziel ihrer Aktionen waren unter anderem die Vertretung der Vereinten Nationen und das Hauptquartier der Streitkräfte. Der letzte Anschlag wurde gestern verübt. Bei einem Selbstmordattentat auf das Büro der Kriminalpolizei in der Stadt Peshawar kamen 12 Personen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.

Die fortgesetzte Anschlagserie provoziert immer häufiger die Frage: Was ist, wenn sich die Taliban Zugang zum Atomwaffenarsenal der Pakistanis verschaffen können? Ganz von der Hand zu weisen ist dies nicht, denn immerhin ist es den Radikalislamisten gelungen, das am zweitstärksten geschützte Objekt des Landes, das Armeehauptquartier in Rawalpindi zu überfallen und in seine Gewalt zu bringen.

Die angeblich am besten gesicherten Objekte des Landes, nämlich die siebzig bis neunzig Atombomben, sind nicht zentral an einem Ort untergebracht, sondern wie US-Außenministerin Hillary Clinton kürzlich bekannt gab, "weit über das Land verteilt".

USA tappen im Dunkeln

Und damit ist klar: jedes Waffenlager, jede Abschussrampe mehr, potenziert die Möglichkeit, dass ein Zugriff der Taliban erfolgreich sein könnte. Dagegen können nicht einmal die USA etwas unternehmen, denn sie wissen, wie Bruce Riedel, ein früherer CIA-Angehöriger und nunmehriger Mitarbeiter von Präsident Barack Obama, beschämt zugeben musste, selbst nicht, wo die allermeisten der nuklearen Sprengköpfe gelagert seien. Und das, obwohl die USA nach dem 11. September 2001 Pakistan geholfen haben, den Schutz der Waffenarsenale auszubauen.

Ein gewaltsamer Überfall auf eines der Atomlager ist ein Szenario. Es geht aber freilich auch viel einfacher. Auch wenn die Regierungen der letzten Jahre prowestlich ausgerichtet waren, so haben sie doch immer wieder die radikalen Islamisten gefördert, um diese in Afghanistan oder im Kaschmir-Konflikt mit Indien zu instrumentalisieren. Es gibt also Kontakte zu jener anderen Seite, die im Moment wortreich, aber nicht sehr erfolgreich von der Regierung bekämpft wird.

Eine Schlüsselrolle dürfte dabei Abdul Kadir Khan zukommen, dem "Vater der ersten islamischen Bombe". Mit ihr hat Pakistan seinerzeit beweisen wollen, wenigstens in puncto Waffentechnologie Anschluss an den Westen gefunden zu haben.

Khan hat - und dies mit stiller Duldung des Militärs - Jahre lang Informationen über das Atomprogramm an Nordkorea, den Iran und Libyen weitergegeben - warum also nicht auch an Islamisten? 2004 flog Khans Schmuggel auf. Daraufhin wurde er unter Hausarrest gesetzt - vor kurzem ging er frei. Den USA ist dies unangenehm. Und das nicht nur, weil sie in Khan einen politisch unzuverlässigen Experten sehen, sondern weil sie es waren, die 1975 bei der Regierung der Niederlande interveniert haben, gegen den promovierten Maschinenbauer nicht weiter wegen des Verdachts des Nukleardiebstahls zu ermitteln. Katir Khan hatte in Holland gearbeitet und dort Zugang zu Zentrifugenplänen, die es ihm später ermöglichten, einein Pakistan eine Urananreicherungsanlage aufzubauen.