Das umstrittene Immunitätsgesetz, das am Mittwochabend vom römischen Verfassungsgericht abgelehnt wurde, sorgt seit Monaten für Dauerspannung und Krach in Rom. Das im Juli 2008 verabschiedete Gesetz, das die Aussetzung von Strafverfahren vorsieht, wenn die Angeklagten hohe staatliche Vertreter (Ministerpräsident, Staatschef und Präsidenten der beiden Parlamentskammern) sind, war dem Parlament wenige Tage nach dem Amtsantritt von Regierungschef Silvio Berlusconi im Frühjahr 2008 vorgelegt worden, der sich von der Immunität die Aussetzung von zwei gegen in Mailand laufenden Korruptionsprozesse erhoffte.

Nach dem Entscheid des römischen Verfassungsgerichts gegen das Immunitätsgesetz beginnt für die Mitte-Rechts-Koalition eine schwierige Phase. Die Rechtsexperten des Regierungsblocks müssen sich an die Arbeit machen, um das umstrittene Gesetz zu revidieren und die Immunität eventuell mittels Zweidrittel-Mehrheit in der Verfassung zu verankern, wie es die Verfassungsrichter fordern. Dies ist jedoch nicht einfach, da Berlusconis Regierungskoalition nicht über eine derart starke Mehrheit im Parlament verfügt. Das Schreckgespenst einer Neuaufnahme des Korruptionsprozesses setzt Berlusconi Arg unter Druck.

Keine Immunität für Parlamentarier

Die italienischen Parlamentarier genießen seit 1993 keine Immunität mehr. Dieses Sonderrecht wurde damals im Zuge der Anti-Korruptions-Kampagne "Mani pulite" ("Saubere Hände") abgeschafft. Zahlreiche führende Politiker konnten so wegen Korruption, Amtsmissbrauchs und Günstlingswirtschaft belangt werden.

"Meiner Ansicht nach war das Immunitätsgesetz einwandfrei. Es ist von den Verfassungsrichtern aus rein politischen Gründen als rechtswidrig bezeichnet worden", so der Kommentar von Berlusconis Rechtsanwalt Nicolo Ghedini, der auch Parlamentarier des "Volks der Freiheit" (stärkste Regierungspartei im italienischen Parlament) ist. Der Rechtsanwalt wird Berlusconi bei den zwei Korruptionsprozessen verteidigen, die nach der Ablehnung des Immunitätsgesetzes vor einem Mailänder Gericht fortgesetzt werden müssen.

Außenminister Franco Frattini versicherte, dass das Problem der Immunität in Italien nicht ungelöst bleiben werde. "Wenn die Italiener jemanden zu ihrem Regierungschef wählen, muss dem Ministerpräsidenten auch die Möglichkeit gesichert werden, sein Mandat auszuüben", sagte Frattini. Er warnte vor einer Krise zwischen der Politik und den Richtern.

Die oppositionelle Mitte-Links-Allianz feierte den Gerichtsentscheid des hohen Gerichts. "Die Regierungskoalition wusste, dass das Immunitätsgesetz verfassungswidrig war. Die Gefahr ist, dass die Mitte-Rechts-Allianz weiterhin eine Strategie zur Verteidigung der Interessen des stark unter Beschuss geratenen Berlusconis verfolgt. Schluss mit Gesetzen, die für den Ministerpräsidenten maßgeschneidert sind", so Parlamentarier der Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei).